Deutsche-Bank-Chef Ackermann habe im Mannesmann-Prozess ,,zugeben müssen, dass er das
deutsche Aktienrecht nicht kenne." Heftige Kritik von Harald Petersen, Vorstand der Schutzge-
meinschaft der Kapitalanleger an Josef Ackermann. ,,Wir sind froh, dass der Verstoß gegen das
Aktienrecht nun vor dem Bundesgerichtshof verhandelt wird." ,,Die WELT", 4. August 2004.
Man reibt sich die Augen. Wohlgemerkt - wir befinden uns in Deutschland. In Deutschland, wo
man für jedwede Tätigkeit einen Schein braucht. Ein Handwerker ohne Meisterbrief wird sofort
gestoppt. Wer ohne Schein angelt, der riskiert ein Strafverfahren. Jagen ohne Jagdschein ist
kriminell. Boot fahren ohne Führerschein ist verboten - mit Motor ebenso wie unter Segeln.
Sogar der Betrieb einer Frittenbude ohne Schein führt zum sofortigen Einschreiten der Behörden.
Fahren ohne Führerschein ist in Deutschland schlechterdings undenkbar. Die Polizei schritte
unbarmherzig zur Tat. Der Übel-Täter ohne Fahrlizenz würde sogleich aus dem Verkehr ge-
zogen. Wer aber überprüfte den ,,Manager-Führerschein" von Herrn Ackermann?
Den ,,Führerschein" von Herrn Ackermann definiert nicht nur das Aktiengesetz. Nach festen
Vorgaben - versteht sich. Darauf verlassen sich die Aktionäre als Besitzer der AGs. Nach Aus-
sage der Richterin hat Ackermann das Aktiengesetz verletzt. Die Mannesmann AG mutierte zum
SB-Laden für Vorstände und Aufsichtsräte. Anschließend wurde der Laden zerlegt. Den ,,Füh-
rerschein" präzisiert das ,,Gesetz über das Kreditwesen" (KWG). Es regelt die Anforderungen
für die ,,Zulassung zum Geschäftsbetrieb". Hier lesen wir in § 32 - Erlaubnis - von der ,,Zuver-
lässigkeit" dessen, der Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will.
Nach § 33 wird die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb versagt, wenn ,,Tatsachen vorliegen, aus
denen sich ergibt, daß ein Antragsteller oder eine der in § 1 Abs.2 Satz 1 bezeichnete Person
nicht zuverlässig ist. Die fachliche Eignung ...setzt voraus, daß sie (die Personen) in ausreichen-
dem Maße theoretische und praktische Kenntnisse in den betreffenden Geschäften sowie Lei-
tungserfahrung haben." Ungeeignete Geschäftsleiter kann die Bundesanstalt für Finanzdienst-
leistungsaufsicht (BaFin) abberufen. Nach § 36 kann sie ihnen auch die Ausübung ihrer Tätig-
keit untersagen. Chef der Bafin ist Herr Sanio. Er ist damit oberster Bank-Polizist der Republik
Herr Ackermann ist Chef der größten Bank im Lande. Als Schweizer Staatsbürger, steht er für
Weltläufigkeit im Vorstand der Deutschen Bank. Sein Victory-Zeichen zu Beginn des Mannes-
mann-Prozesses sorgte für Aufsehen. Das hatte er sich bei Michael Jackson abgeschaut. In den
USA - versteht sich. § 93 AktG definiert die Voraussetzungen für die Berufung in den Vorstand
einer AG. Wie er angesichts der identischen Bestimmungen von § 116 AktG Aufsichtsrat von
Bayer, Linde, Lufthansa und Siemens werden konnte? Ein Rätsel. Ein Aufsichtsrat ohne spezi-
fische Gesetzeskenntnisse. Damit ist auch klar, warum Richterin Koppenhöfer ihn nicht verur-
teilte. Da er das AktG nicht kannte, handelte er arglos und gänzlich ohne böse Absicht.....
Herr Ackermann beklagte sich: Nur in Deutschland stelle man Manager vor Gericht, die Werte
schaffen. Damit meint er wohl, die zivilisierte Welt müsse mit Abscheu auf dies Land schauen.
Nicht nur hier irrt Herr Ackermann. Die Werte, von denen er sprach, waren virtuell. Eine finan-
zielle Fata-Morgana sozusagen. Bilanzielle Luftspiegelungen. Ackermanns ,,Milliarden-Werte"
lösten sich buchstäblich in Luft auf. Nun soll sogar der deutsche Steuerzahler bluten.
Im Mannesmann-Prozess wurde eines klar: In diesem unserem Lande gibt es Manager, die nicht
einmal die Regeln zur Führung der ihnen anvertrauten Unternehmen kennen. Deutschland ist
damit das einzige Land der zivilisierten Welt, das Manager ohne ,,Führerschein" nicht aus dem
Verkehr zieht. Die gesetzlichen Vorgaben dazu hätten wir. Sie werden aber nicht angewandt, da
sie offenbar nur für Buchhalter gelten. Herr Sanio, wann schreiten Sie als Bank-Polizist zur Tat?
Peine, den 7. August 2004 gez. Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz