Unsere Justiz macht erfreuliche Fortschritte. Der Bürger sieht es zunehmend mit Wohlgefallen.
Das Landgericht Düsseldorf ist einer der Vorreiter dieser unkonventionell-progressiven Justiz.
Pragmatisch, praktisch, gut. Man überließ die Millionen-Beute aus der Mannesmann-SB-Aktion
den Angeklagten. Nach dem Mundraubparagrafen 153a. Genial! Keine Knete zurück, kein Urteil
und nicht nur der Anwalt war zufrieden. Die weise Entscheidung der rheinischen Richter basierte
auch auf dem neuen Paragrafen 007 (siehe dazu Selenz` Kommentar vom 27. November 2006
,,§ 007 : Die Lizenz zum Betrügen"*). Die neu eingeführte RAUB-Steuer von 5% (*) wurde
erstmals fällig. Ganz konsequent. Der BGH sah in der ungesetzlichen Aneignung der Mannes-
mann-Millionen zwar noch - juristisch total altbacken - schwere Untreue. Dies ficht die Richter-
Avantgarde vom Rhein jedoch nicht weiter an. Sie blieb ihrer Linie treu. Übelsten Anfeindungen
zum Trotz. Eine Kanzlei aus Hamburg stellte sogar Strafanzeige gegen die progressiven Juristen.
Rechtsbeugung und Strafvereitelung im Amt sahen die querulatorischen Anwälte von der Water-
kant im Abbruch des Verfahrens. Sie haben die neue Justiz offenbar immer noch nicht begriffen.
Justiz ist nicht mehr das, was sie in öder Vorzeit einmal war: Beurteilung begangener Straftaten
an Hand des gesetzlich vorgegebenen Rahmens. Das wäre ja noch schöner. Die deutsche Recht-
sprechung ist vielmehr neo-sozial. Kriminelle Unterschichtler brummen. Kriminelle Ober-
schichtler blechen. Jeder nach seinem Vermögen! Moderne Justiz ist zudem kreativ. Prototypisch
verdeutlicht am Fall des Ex-VW-Betriebsratsbosses Volkert. Der gelernte Schmied stieg auf.
Vom Band ins Aufsichtsratspräsidium. Gewählt von den Arbeitern. Deren Interessen sollte er
vertreten. Oben angekommen machte er alles, was man von ihm verlangte. Für Geld. Er kassierte
Millionen nach Intervention bei VW-Chef Piech, ausgezahlt vom Hartz IV-Erfinder persönlich.
Für 2 Mio. Euro kaufte der den halben Aufsichtsrat. Am Kapitalmarkt hätte das gut und gerne 10
Mrd. gekostet. ,,Ein langdauernder Streik oder eine für die Arbeitnehmer günstige und also für
das Unternehmen ungünstige Betriebsvereinbarung" würde ,,zu einem weitaus höheren Schaden
führen als irgendwelche Zahlungen an Prostituierte,, so die Anwälte des Arbeiterführers. Das ist
zwar Korruption pur und Schweinkram obendrein, aber es ist ehrlich. Tucholsky lässt grüßen.
Sex auf Firmenkosten zum Wohl der Firma. VW-Oberboss Piech - gleichzeitig Porsche-Eigner -
konnte sich freuen. Über elegante Verträge mit der eigenen Firma. Piech durfte seinen Porsche
Cayenne von VW mitentwickeln lassen. Gebaut wird er im VW-Werk in Bratislava. Zu 1/6 der
Löhne von Wolfsburg. In seiner Leipziger ,,Cayenne-Fabrik" montiert Piech nur noch Räder und
Motor. Das MottoVW-intern: ,,Vier Schrauben und der Porsche ist fertig". ,,Made in Germany"
á la Volkert, Wiedeking und Piech. Der verkauft privat sogar noch Hunderttausende Konzern-
Fahrzeuge exklusiv in Osteuropa. Die Vertriebsverträge sind ebenso elegant. Eine Überprüfung
wurde auf der Hauptversammlung abgelehnt. Zuviel Klarheit wäre kontraproduktiv. Der Rest des
Aufsichtsrates sitzt taub, stumm und blind auf dem VW-Misthaufen. Mit den bei VW verdienten
Milliarden kauft Porsche-Eigner Piech sich nun bei VW ein. Das ist praktisch. Ein finanzielles
Perpetuum-Mobile. Aus einem Unternehmen, das einst den Arbeitern gehörte, schmiedete der
geschmierte Arbeiterboss einen Privatbetrieb. ,,Neoliberalismus" bei VW aus Arbeitnehmerhand.
Arbeitsdirektor Hartz - VW-intern Hartz VI (Sex), der die Millionen auszahlte, wartet derweil
auf seinen kurzen Prozess. Dabei kann auch er auf die progressive Justiz in Braunschweig bauen.
Die hatte im Frühjahr 2005 schon einmal versucht, Beweismaterial zu den Betrugsvorgängen bei
VW zu ,,vernichten". Das missglückte und es entstand daraus das Schwarzbuch VW. Nach des-
sen Erscheinen blieb den Braunschweiger Juristen keine Wahl. Sie mussten etwas tun. Doch ge-
mach. Peter Hartz kommt in den Genuss des neuen § 006 - Legaler Sex auf Firmenkosten.
Bordellbesuche und betriebliche Aufwendungen im Rotlichtbereich sind ihm in seinem Prozess
als ,,unwesentliche Nebenstraftaten" (FAZ.NET 15.12.06) erlassen. Wenn das kein Startsignal
für die Wirtschaft ist? Das Rotlichtgewerbe - auf Zahlungen von VW fest eingestellt - jubelt. Die
Konjunktur springt an. Deutschland geht rosigen Zeiten entgegen. Pragmatisch, praktisch, gut.
Peine, den 17. Dezember 2006 gez.: Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz