Die Diskussion um Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte unserer Politiker nimmt an Schärfe zu.
Manch MdB ist in mehr externen Aufsichtsräten tätig als in entsprechenden parlamentarischen
Arbeitsgruppen. Das wird gern als unproblematisch dargestellt. Ist es aber nicht. Wes Brot ich
ess, des Lied ich sing. Das galt schon im Mittelalter nicht nur für Hofnarren. Zahlreiche Volks-
vertreter verdienen durch Nebenjobs viel mehr als im Parlament. Daher sollte das Volk durchaus
wissen, wer seinen Vertretern Brot gibt und wes Lied sie singen. Seine Nebenjobs verdankt der
MdB schließlich in aller Regel seiner Rolle als Volksvertreter. Alle Verwalter fremden Vermö-
gens - und das ist auch ein MdB - sollten gesetzlich dazu verpflichtet werden, ihr Einkommen
lückenlos aufzudecken. Nicht nur in den Parlamenten. Auch in der Wirtschaft. Angaben zum
Einkommen dieser Personengruppen in Staat und Wirtschaft sind in den USA eine Selbstver-
ständlichkeit. Sogar detaillierte Angaben zum Vermögen verlangt man dort. Das hat in den USA
- wie auch hier - nichts mit Neid zu tun. Es dient vielmehr schlicht gesellschaftlicher Hygiene.
Im Mittelpunkt der aktuellen Diskussion steht ein bekannter Name: MdB Friedrich Merz (CDU).
Seine Einkünfte aus zahlreichen Tätigkeiten in der Wirtschaft möchte er für sich behalten. Mit
allen juristischen Mitteln versuchen er und einige seiner Parlamentskollegen, zu verhindern, ihre
Nebeneinkünfte künftig offen zu legen. Die Unionsabgeordneten Wolfgang Götzer, Siegfried
Kauder und Marco Wanderwitz streben eine ,,hinreichende Unabhängigkeit gegenüber der eige-
nen Fraktion und der Partei" an. ,,Neben dem Mandat ist daher ein einträglicher bürgerlicher
Beruf wichtig". Sie seien ansonsten ,,abhängig". Abhängige Politiker seien ,,stets erpressbar".
Ein nicht gerade beruhigender Einblick in den real existierenden deutschen Politbetrieb!
Die Runde um Peter Dankert (SPD), Heinrich Kolb (FDP) und Friedrich Merz (CDU) sieht gar
eine ,,schiefe Grundlage" für die Entscheidung ihrer Wähler. Wettbewerber der Wirtschaft
könnten aus der Kenntnis der Nebeneinkünfte Vorteile für sich ziehen. Die Argumente beider
Gruppen sind ebenso vordergründig wie schief. Dies insbesondere angesichts der allgemeinen
Entwicklung in diesem unserem Lande hin zu einer 2-Klassen-Gesellschaft. Von Millionen Ar-
beitslosen verlangt man, dass sie ihre Vermögensverhältnisse im Detail offen legen. Bis hin zum
röhrenden Hirschen an der Wand. Wie selbstverständlich. Diejenigen, die dies im Parlament be-
schlossen haben, wollen selbst nicht einmal ihre Nebeneinkommen deklarieren. Die Begründung
von Merz und Co. entbehrt darüber hinaus nicht einer erhellend schrägen Ironie.
Wie erinnern uns an den letzten großen Auftritt von Friedrich Merz. Es war der 11. Februar 06.
Merz wurde zum Ritter geschlagen. Wider den tierischen Ernst. Als ,,weißer Ritter" versetzte er
nicht nur Aachen in Karnevalslaune. In glänzend weißer Rüstung brachte er auch den Rest der
Republik auf Wolke 7 bzw. die Palme. Seine bekannt scharfe Zunge schien extra angeschliffen.
Typ: Rasiermesser. Er zündete sein rhetorisches Feuerwerk mit einigen kessen Bemerkungen in
Richtung auf seine bekannten Freundinnen und Freunde in der eigenen Partei. Sodann entwickel-
te er sein 10-Punkte-Programm für Deutschland. Das Motto: Mit streng marktwirtschaftlichen
Lösungen aus der Krise. Punkt 1 sah den Verkauf von Mecklenburg-Vorpommern an die Russen
vor. Der symbolische Kaufpreis für den ,,bilanziellen Totalverlust" sollte bei einem Euro liegen.
Großzügig gewährte er Angela Merkel Asyl. Am Ende sollte sein 10-Punkte-Programm über den
Merz´schen Bierdeckel hin zur gänzlichen Abschaffung der Steuern führen. Schlaraffenland!
Doch der Jubel verhallte schnell. Tags darauf war es klar. Die Munition für die Lachsalven kam
nicht von Merz. Blendgranaten wurden zu Rohrkrepierern. Ritter Merz hatte in fremde Arsenale
gegriffen. Heimlich - oberpeinlich! Ein Verweis zur Quelle seiner vermeintlichen Geistesblitze
hätte ihm viel Schmach erspart. Der Wähler fragt sich nun mit Recht, nach welchen Noten singt
Merz in der Politik? Sind es die Banknoten aus seinen Nebenjobs? Manch schiefer Ton fände so
seine ,,natürliche" Erklärung. Die Transparenz, die unsere Politiker von anderen fordern, sind sie
selbst nicht bereit zu gewähren. Einige Volksvertreter haben offenbar bereits abgehoben. Es fehlt
allenthalben an festen Grundlagen. Auch bei Ritter Merz - nicht nur argumentativ in Schieflage.
Peine, den 2. August 2006 gez.: Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz