Die letzten 12 Monate vergingen gleichsam wie im Zug. Im chinesischen Kulturkreis wäre 2007 das
Jahr des Lokführers. Der Dauerkonflikt zwischen der Bahn und ihren Lokomotivlenkern bestimmte
die Nachrichten. Und das in mehrfacher Hinsicht. Nicht nur Reisende gingen vom Bahnsteig direkt
auf die Palme - weil sie ihren Flieger verpassten. Dabei bleiben die Lokführer durchaus im Rahmen.
Zumindest in dem ihrer Vorgesetzten. Sie wollen 31 Prozent mehr Lohn. Und das nur für ein Jahr.
Der Bahnvorstand hatte sich diese 31 Prozent selbst genehmigen lassen. Im Schnitt der letzten 9
Jahre. Vom seinem Aufsichtsrat. Der erwartet seinerseits vom Vorstand eine vergleichbar generöse
Vergütung. Daher machen so viele Gewerkschafter in den Aufsichtsräten keinen Stress. Sie greifen
mit ab. Solidarisch - sozusagen. Wenn es ums eigene Portemonnaie geht, setzt auch bei ihnen der
Verstand aus. Der Anstand sowieso. Prozentual identische Anhebungen von Löhnen und Gehältern
vergrößern die Einkommensdifferenzen indes absolut. Das ist schlichte Mathematik. Die Energie-
kosten beispielsweise steigen jedoch für alle gleich. Ebenso absolut. Steigt der Benzinpreis weiter
- und er wird demnächst regelrecht explodieren - kann sich ein Lokführer bald nicht mal mehr die
Fahrt zu seiner Lok leisten. Spätestens dann wird es ernst in der Republik. ,,Die SB-Republik"
Die Entwicklung der Vorstandsvergütungen war auch jenseits der Bahn Hauptthema. Warum ausge-
rechnet Staatsbetriebe beim Zuwachs der Managergehälter mit an der Spitze stehen? Kein Wunder.
Die Politiker in deren Aufsichtsräten haben vergütungstechnisch das größte Aufhol-Potential. So
sieht es zumindest Herr Lammert von der CDU. Er findet Profi-Kicker überbezahlt. Dabei erhalten
gerade die keinerlei Subventionen aus Steuergeldern wie etwa die Bahn. Andere Argumente?
Wilder Kaviar ,,für Gourmets die einzig akzeptable Kaviarart" wurde richtig teuer. Das leuchtet ein.
Warum kommen solche Fakten nicht auf den Tisch? Argumente, die auch an Gerhard Schröders
Currywurstbude in Hannover verfangen würden. ,,Doris, Gerhard und die große Politik..."
Die Korruptionssumme bei Siemens stieg im Laufe des Jahres von 200 Mio. auf über eine Mrd.
Euro. Ein Ende ist nicht in Sicht. Mittlerweile zieht sich sogar Nigeria vom deutschen Korruptions-
multi zurück. Dabei wurde die Siemens-Kriminalität nicht etwa von den - eigentlich - zuständigen
deutschen Behörden aufgedeckt. Bewahre! Die Kollegen in Liechtenstein und in der Schweiz hatten
so viel Material angesammelt, dass sie es im Herbst 2006 nach München schickten. ,,Das sind eure
Ganoven, kümmert euch endlich darum," - so ein Schweizer Staatsanwalt. Mit Gerhard Cromme hat
Siemens nun einen AR-Chef, der sich mit Wirtschaftskriminalität bestens auskennt. ,,Der Fall
Gerhard Cromme oder: Leiche schluckt Top-Athleten". Herr v. Pierer bleibt derweil Regie-
rungsberater. Einschlägige Erfahrungen sind halt unverzichtbar. § 007: Die Lizenz zum Betrügen.
Im VW-Prozess nimmt die Spannung zu. Die Justiz folgt den Beteiligten derzeit noch servil auf den
Pfaden der organisierten Kriminalität bei VW. Die Vorstände, Aufsichtsräte und Wirtschaftsprüfer,
Revisoren, Rechts- und Finanzmitarbeiter, die diese Kriminalität organisieren, agieren lustig weiter.
Mitarbeiter, die frühzeitig auf die kriminellen Vorgänge hinwiesen, wurden sofort gefeuert. Straf-
und Aktiengesetz sind komplett ausgeblendet. Es gelten ,,die Regeln des Hauses", so Peter Hartz
vor Gericht. Nicht nur das Konto 1860 war als rechtsfreier Raum eine kriminelle Spielwiese. Die
nächsten Wochen werden viele neue Erkenntnisse bringen. ,,Wendelin Wiedekings Wundergage"
Unseres Ex-Kanzlers lupenreine Freunde haben derweil Probleme im eigenen Land. Der ,,einfache
Russe" kann sich das Gas nicht mehr leisten. Dort könnten die Lichter zuerst ausgehen, befürchten
Experten. Da sind 60 Prozent Preissteigerung, die Gazprom für das nächste Jahr fordert, fast schon
ein Schnäppchen. Wie es allerdings mit Wirtschaft und Verkehr weitergeht, wenn das Öl einmal
richtig knapp wird? Die Politik schließt die Augen. ,,Nur ein Augenblick: ,,...das Öl wird knapp"
Am Jahresende schließlich der finale Schock: Das ,,Christbaum-Kartell". 20 Prozent Aufschlag. Ja
ist denn den Menschen gar nichts mehr heilig? Die dänische Polizei bespitzelte ein Jahr lang die
Christ-Baumschulen. ,,Preisabsprachen" so die Klageschrift. ,,Rechenmethoden" so die Baumschul-
besitzer. Jetzt hätte nur noch gefehlt, dass auch die Weihnachtsmänner streiken. Aus Solidarität zu
den Lokführern. Doch die Weihnachtsmänner haben bis dato noch keine Gewerkschaft. Bis dato!
Peine, den 26. Dezember 2007 gez.: Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz