Das FDP-Schiff befindet sich in schwerem Wetter. Seit dem grandiosen Erfolg bei der letzten
Bundestagswahl läuft es volle Kraft zurück. Permanent und in allen Bereichen. Guido Westerwelle
verbreitet als FDP-Kapitän derweil maritime Durchhalteparolen. Das tat er schon, als Parteifreund
Möllemann noch die ,,Strategie 18" postulierte: ,,Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt es
einen, der die Dinge regelt - und das bin ich". Die 18 hatte sich Westerwelle im gelben Guido-
Mobil sogar in die Schuhsohlen ritzen lassen. Das Ziel schien erreichbar. Die FDP sah sich im
Herbst 2009 angesichts dramatischer Stimmenzuwächse bereits als Volkspartei. Das war indes eine
Fehleinschätzung. Die 14,9 Prozent waren das Ergebnis mannigfaltiger Einflüsse. Die wenigsten
kamen aus der FDP selbst. Viele bürgerlich liberale Wähler sahen einfach keine andere, wählbare
Alternative. Andere machten ein gelbes Kreuz, um eine schwarz-gelbe Koalition abzusichern. Es
war zudem viel Hoffnung im Spiel. Doch bis auf die Hotelbesitzer sind inzwischen alle enttäuscht.
Die Bankenkrise machte fast alle vollmundigen FDP-Wahlversprechen zu Steuersenkungen zu Ma-
kulatur. Doch auch da, wo die FDP freie Bahn hat, versagt sie kläglich. Guido Westerwelle spielt
zwar den Außenminister, doch keiner nimmt ihm die Rolle ab. Seine Unsicherheit schimmert durch.
Der Mann beeindruckt vor allem sich selbst. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hatte
noch unmittelbar vor der Wahl mangelhafte Besoldungsstrukturen in der Justiz ebenso angeprangert
wie die politische Weisungsgebundenheit deutscher Staatsanwälte. Vor dem Ausschuss für Recht
und Menschenrechte des Europarates forderte sie ,,eine angemessene Bezahlung als Schutz vor un-
zulässigen äußeren Einflüssen i. E. der Gefahr der Korruption." Zudem unterstütze sie ,,uneinge-
schränkt den Vorschlag, die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft zu stärken, damit diese ihre
Aufgaben ohne Einmischung aus dem Bereich der Politik erfüllen könne. Wenn die Staatsanwalt-
schaft nämlich ,politischen' Weisungen zu folgen hat, kann das gesamte Verfahren leicht zu einer
Farce werden." Die Möglichkeit, Staatsanwälten politische Einzelanweisungen zu erteilen, sei
daher abzuschaffen. Nachdem sie Justizministerin geworden war, landeten ihre Forderungen in der
politischen Mülltonne. Die Krebsgeschwüre der deutschen Justiz bleiben bis dato unangetastet!
Wen wundert es da, dass sich die Wähler in Scharen abwenden? Das treibt die Leichtmatrosen an
Deck. Sie fürchten den Untergang. Wolfgang Kubicki - Lautsprecher der FDP - brachte die Ängste
der Funktionäre auf den Punkt. Er verglich die FDP und ihre Führungs-Crew mit der DDR in deren
Spätphase: ,,Die ist irgendwann implodiert. Auf einmal war sie nicht mehr da." Der ZEIT gab er
ein bemerkenswertes Interview unter der Überschrift ,,Hauen bis die Schwarte kracht". Es gibt den
Blick frei auf das politische Leben in Berlin, wie es sich der Bürger schon immer vorgestellt hat....
Auf die Frage, ob er sich auch eine andere Position im aktuellen Machtgefüge vorstellen könne, gab
Kubicki folgende Antwort: ,,Nein, es ist Teil meiner Überlebensstrategie. Ich würde in Berlin zum
Trinker werden, vielleicht auch zum Hurenbock. Ich bin inzwischen zum dritten Mal verheiratet,
und ich will auf keinen Fall diese Ehe ruinieren. Dass politische Leben in Berlin sieht doch so aus:
Sie sind den ganzen Tag unter Druck, abends wartet ihr Apartment auf Sie, sonst niemand. Es gibt
einen enormen Frauenüberschuss, denn wenn Sie den gesamten Politikbetrieb nehmen, kommen Sie
auf schätzungsweise 60 Prozent Frauen. Ich weiß doch, wie es läuft: Da sind dann diese Abende, an
denen Sie nur abschalten wollen, Stressabbau. Da sitzt Ihnen plötzlich eine Frau gegenüber, die
Ihnen einfach nur zuhört. Und dann geht die Geschichte irgendwann im Bett weiter. Dazu der Alko-
hol: Sie könnten, weil Sie ständig in Terminen sind, den ganzen Tag trinken. Eine Flasche Wein ist
da gar nichts, leicht zu verteilen auf fünf Termine. Und abends geht es richtig los. Sie betreten be-
stimmte Restaurants und sehen schon die glasigen Augen in den Rotweingesichtern Ihrer Kollegen.
,,Kubicki", rufen die beseelt, während Sie noch in der Tür stehen, ,,Kubicki, setz dich zu uns." Aber
wissen Sie, auch mein Leben ist endlich. Ich bin jetzt 58, da will ich meine politische Karriere über-
leben." Doch überlebt die Republik Kubickis rotweingesichtige Kollegen? Kapitän Westerwelle
arbeitet derweil unbeirrt daran, ,,dass wir wieder auf Erfolgskurs kommen. Ich werde das Deck
nicht verlassen, bloß weil es stürmt." Da könnte Kapitän Westerwelle aber verdammt nass werden.
Derzeit sehen Meinungsumfragen die FDP bei 3 Prozent. Das FDP-Schiff droht, ihm abzusaufen.
Peine, den 23. Dezember 2010 gez.: Prof. Dr. Hans-Joachim Selenz