Dein Kommentar zur Situation rund um Griechenland und den Euro stellt
sicherlich die traurige Situation zutreffend dar.
Aber wenn eine Krise vorliegt, dann bietet sie auch immer eine Chance zur
grundlegenden Besserung. Oder, um in Deinem Bild von der griechischen
Tragödie zu bleiben: Auf eine Tragödie folgt eine Katharsis (nach
Aristoteles: die seelische Reinigung als Wirkung der antiken Tragödie).

Doch man mag sich hier fragen: Wo ist in diesem ganzen Gemenge von Gier,
Eigeninteressen, Überheblichkeiten und Verzweiflung auf der anderen Seite
eigentlich eine Seele versteckt ?
Nun, ich denke, dies ist gar nicht so schwierig zu erkennen: Die Seele ist
unser demokratisches und freiheitliches Gesellschafts- und
Wirtschaftssystem, das wir übrigens auch zu einem guten Teil Griechenland
verdanken.

Und diese Seele ist leider schwer angegriffen:
Die Demokratie, die über eine annähernd gleiche Teilhabe von allen Bürgern
am Gemeinwesen die einzige nicht-göttliche Legitimation für Machtausübung
liefert, verkommt mehr und mehr zur Medien- und Quoten-Demokratie.
Natürlich sind Medien als Informations- und Meinungsvermittler in jeder
Demokratie unentbehrlich. In unserer europäischen Gesellschaft ist aber mehr
und mehr zu beobachten, dass es zwar immer mehr Fernsehkanäle gibt, diese
aber entweder nur Unterhaltung oder Infotainment anbieten. Echte
Information, und zwar nicht nur Mainstream-Sichtweisen, bräuchten einen
wesentlich breiteren Raum und ausführlichere Darstellung zu besten
Sendezeiten. Hier haben sich die öffentlich-rechtlichen Sender
unnötigerweise viel zu sehr auf ein Quotengerangel mit den privaten
eingelassen.
Diese von starken Interessengruppen forcierten Mainstream-Sichtweisen
unterbinden aber leider auch in der Wirtschaft sehr oft notwendige
Wandlungsprozesse und verhindern damit ganz gravierend Fortschritt.
Besitzstandswahrung mächtiger Gruppen tritt nur zu oft im Gewande von
bewährten Prinzipien auf, die angeblich nur der Sicherheit von uns allen
dienen. Die demokratische Gesellschaft verkommt zum Ständestaat !
Und damit trotz der Besitzstandswahrung privilegierter Gruppen auch die
Unterprivilegierten halbwegs bei Laune gehalten werden, gibt es für diese
Unterstützung vom Staat. Dies geschieht dann, um die Privilegierten zu
schonen, teilweise auf Pump mit mehr oder minder hohen Zinsen.
So tritt dann zu dem bereits aus dem alten Rom bekannten Prinzip "Brot und
Spiele" das Prinzip der ständig steigenden Staatsverschuldung.

Da aber diese Kredite von Staaten heute überall auf der Welt aufgenommen
werden können, entgleiten die Kreditgeber völlig der Kontrolle der
verschuldeten Staaten und es stehen zunächst scheinbar unbegrenzte
Kreditmengen zur Verfügung. Daher müsste ein erster Schritt der Katharsis
darin bestehen, dass zukünftige Staatsschulden nur bei eigenen
Staatsbürgern aufgenommen werden dürfen; im Notfall (wie augenblicklich)
auch in Form von Zwangsanleihen.
Es ist natürlich fast müßig zu erwähnen, dass natürlich Staatsschulden im
Regelfall vermieden werden müssen. Ich sehe aber auch, dass es zumindest in
einer Übergangsphase nötig sein wird, die Schuldenaufnahme erst allmählich
abzubauen.
In dieser Phase führt meines Erachtens kein Weg daran vorbei, dass der
gesamte Euro-Raum für die Staatsschulden aller Mitgliedsländer gemeinsam
bürgt. Dies würde die Spekulation gegen einzelne Mitgliedsländer unmöglich
machen. Diese, vor allem in Deutschland, unpopuläre Entscheidung wäre aber
durch die zuvor geschilderte Regelung bzgl. zukünftiger Schuldenaufnahme und
Neuverschuldungsabbau vertretbar.

Langfristig wäre auch eine Entkrustung der wirtschaftlichen Strukturen eine
Chance für kleinere Staaten, wirtschaftliche Innovationen voranzubringen und
damit ihre wirtschaftliche Basis zu verbessern.

Mit besten Grüßen
Herbert