Kein Thema bewegt das Land derzeit so, wie der Euro. Das Schicksal unserer Währung erschließt sich dem Bürger indes nur schwer. Der gewinnt immer stärker den Eindruck, es handele sich um eine Glaubensfrage. Die Welt scheidet sich danach in die guten Euro-Freunde und die bösen Euro-Kritiker. Dabei sind die Knackpunkte seit Jahren bekannt. Sämtliche aktuellen Probleme wurden exakt so prognostiziert, wie sie derzeit vor uns liegen. Nur hat keiner der verantwortlichen Politiker auf die Experten gehört. Man agierte nach dem Motto: Augen zu und durch. Die Folgen sind fatal. Der Euro, als gemeinsame Währung über 17 Staaten aufgespannt, kann indes auf Dauer nicht funk-tionieren. Die politischen Systeme, die Sozialgesetzgebung und die Wirtschaftskraft der 17 Staaten sind zu unterschiedlich. Was früher durch Auf- oder Abwertung der Landes-Währungen ausgegli-chen wurde, bringt den fragilen Euro-Schirm nunmehr zum Zerreißen. Der Euro droht in der Folge, Europa sogar zu spalten. Die meisten Politiker - nicht nur in Deutschland - sind mit der komplexen Finanz-Materie schlicht und einfach überfordert. Begriffe wie ESM und ESFS sind für viele böhmi-sche Dörfer. Nur die wenigsten Abgeordneten verfügen über solides Wissen auf diesem wichtigen Gebiet. So posaunte Sigmar Gabriel als niedersächsischer Ministerpräsident schon mal heraus, seine Regierung beginne die Schulden abzubauen. Dabei hatte man lediglich die Nettoneuverschuldung ein wenig reduziert. Im Klartext: man hatte nicht mehr ganz so viele neue Schulden gemacht wie im Jahr zuvor. Gabriel weiß es halt nicht besser. Mittlerweile ist dieser Mann allerdings nicht mehr Pop-Beauftragter seiner Partei, sondern deren Vorsitzender. Das heißt, er gibt den Kurs vor, auch in Finanzfragen. Und seine Abgeordneten folgen den Ratschlägen des ausgewiesenen Finanzexperten wie die Lemminge. In der CDU/CSU und bei den Grünen sieht es indes nicht sehr viel anders aus.
Im Landtag in Hannover machte ich mir früher öfter mal den Spaß, Abgeordnete zu fragen, wie oft wohl eine Million in eine Milliarde geht. Zehnmal oder hundert Mal? Der Fairness halber muss ich sagen, dass ein Teil mich daraufhin anlachte und sagte, ich wolle wohl scherzen. Die Milliarde sei schließlich tausendmal größer als die Million. Die meisten fingen jedoch an, zu überlegen. Ein Teil entschied sich spontan für den Faktor zehn. Ein anderer für den Faktor hundert. Einige wurden unsicher und wollten sich nicht so schnell auf eine konkrete Zahl festlegen. Zehnmal oder hundert Mal - eine schwierige Frage. „In Mathe war ich nie so toll. Das habe ich eher auf Lücke gesetzt“, war die Antwort eines Volksvertreters. Die Milliarde ist für viele unserer Volksvertreter so etwas wie eine etwas größere Million. Eine Maxi-Million - sozusagen. Das erklärt zumindest zum Teil den lockeren Umgang mit den Maxi-Millionen der Steuerzahler. Zudem handelt es sich auch nicht um eigenes Geld. Da wird der Politiker bekanntlich zum Cent-Fuchser. Doch bei den Milliarden, die sie verteilen, geht es ja lediglich um das Geld der Steuerzahler. Und wenn man dann sogar die Chance hat, das Geld von Bürgern anderer Länder verteilen zu können, ist man geradewegs im siebten Politiker-Himmel. Daher sind viele Politiker in Südeuropa auch so sauer, wenn wir ihnen nicht noch mehr Geld geben. Doch ist das wirklich alternativlos. Welcher Mensch mit halbwegs klarem Verstand würde einem Bilanzfälscher Geld geben, nur damit dieser seine Fälschung über-tünchen kann? Bei den Griechen handelt es sich genau um diesen Tatbestand. Zusätzlich haben die Griechen seit dem Euro-Start etwa 261 Mrd. Dollar an Schwarzgeld ins Ausland transferiert.
Das alles wird noch getoppt durch „Finanzexperten“ in den Behörden. Beispielsweise einen gewis-sen Jörg Asmussen. Als Ministerialdirektor im Finanzministerium war er verantwortlich dafür, dass die erste Finanzkrise auch Deutschland voll erfasste. Durch eine „Reduzierung unnötiger Prüf- und Dokumentationspflichten“ hatte er dafür gesorgt, dass die Flut fauler Finanzprodukte auf uns über-schwappen konnte. Zusätzlich hielt er die Kontrollbehörde BaFin im Tiefschlaf, in dem sie sich seit ihrer Gründung befindet. Nach dieser gigantischen Fehlleistung als Staatsdiener säße Asmussen beim alten Fritz bestenfalls in Festungshaft. Bei Wasser und Brot. Die Bundesregierung schickte ihn indes als ihren Vertreter in die Europäische Zentralbank. Dort entschied er jüngst, gegen die Stimme von Bundesbankpräsident Weidmann, dass auch Deutschland dem unbegrenzten Kauf von Staatsanleihen überschuldeter Euro-Länder zustimmt. Natürlich unter „harten Auflagen“. Spaniens MP Rajoy verbat sich allerdings sofort derartige „Einmischungen der EU“. Wird das Verfassungs-gericht morgen den nunmehr völlig unkontrollierten Abfluss deutscher Steuermilliarden stoppen?
Peine, den 11. September 2012 gez.: Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz