Wir schreiben das Frühjahr 2012. Bundespräsident Wulff wird mit zahlreichen, zum Teil schwerwiegenden
Vorwürfen konfrontiert. Die Finanzierung seines Hauses ist nebulös. Seine Ex-Frau
machte Ferien bei Nord-Süd-Dialog-Party-Manager Schmidt. Und auch Reisen nach München und
Sylt mit seiner damaligen Freundin und zwischenzeitlichen Noch-Ehefrau Bettina sind - zumindest
finanziell - erkl.rungsbedürftig. Die mögliche Bestechlichkeit des höchsten Mannes im Staate steht
im Raum. Als die Staatsanwaltschaft Hannover offiziell zu ermitteln beginnt, tritt Wulff zurück.

Doch von den vielen Vorwürfen, die man dem ehemaligen Bundespräsidenten von Seiten der Justiz
machte, blieb nach juristischer Prüfung am Ende einer zurück: Wulff soll als niedersächsischer
Ministerpräsident zwar nicht bestechlich gewesen sein, sich jedoch - möglicherweise - der Vorteilsnahme
schuldig gemacht haben. Wegen sage und schreibe 753,90 Euro. Dafür habe er einen Bitt-
Brief zur Unterstützung eines Filmprojektes an die Siemens AG geschickt. Ein schwerlich zu belegender
Vorwurf. Wenn das alles sein sollte, so ist dies immens aufgeblasene Verfahren ein einziger
Witz. Ich habe persönlich keinen niedersächsischen Ministerpräsidenten erlebt, der im Rahmen
einer Einladung seine Rechnung selbst bezahlt hätte. Allein die drei Flaschen besten französischen
Rotweins, die ich zusammen mit Gerhard Glogowski am 29. Oktober 1998 bei unserem Treffen bei
„Wichmanns“ in Hannover verkostete, lagen durchaus in der o. g. Preisspanne. „Glogo“ ließ sich
während des Essens vom Ober sogar noch die Weinkarte reichen. Auf meine erstaunte Frage, was
er denn von dem Wein - über den Jahrgang hinaus, der auf der Flasche ja ohne Mühe abzulesen
war - wissen wolle, sagte er mir, er wolle mal sehen, „was er mir wert“ sei. Nach dem Studium des
Preises des edlen Gewächses bemerkte er sodann durchaus schnippisch, das sei zwar gar nicht übel,
aber bei VW bekäme er noch weitaus teurere Weine vorgesetzt. Dort saß Glogo als frischgebackener
Ministerpräsident qua Amt neuerdings im Aufsichtsrat, und dort war man offensichtlich damals
schon sehr viel freigiebiger, als es ein Stahlunternehmen, wie die Salzgitter AG, je sein konnte.

Was wäre wohl geschehen - und das nicht nur medial - wenn Wulff seine Ex-Frau angestellt hätte?
Im Bundespräsidialamt. Genau das tut der aktuelle BP. Und kein Sturm des Protestes bricht los.
Gauck beschäftigt eine seiner früheren Freundinnen, die Publizistin Helga Hirsch, als Beraterin im
Bundespräsidialamt. Ganz offiziell. So, als sei dies das Selbstverständlichste von der Welt. Sie war
von 1990 bis 1998 eine von Gaucks offiziellen Lebensabschnittspartnerinnen. Die Justiz und die
Mehrzahl der Medien schauen dem lockeren Treiben seelenruhig zu. Doch ist dies nicht zumindest
Vorteilsgewährung im höchsten Staatsamt? Derartiges kennt man ansonsten eigentlich nur von den
bayerischen Polit-Parasiten, die zuweilen den ganzen Familien-Clan über ihr Mandat durchfütterten.

Noch dreister trieb es Wulffs Vor-Vorgänger Johannes Rau. Wenn er als NRW-MP reiste, geschah
dies in der Regel auf Kosten der WestLB. Enorm trickreich und extrem teuer. Rau nutzte den Jet
der Firma PJC (Private Jet Charter). Auch für kurze Trips. Dienstlich und privat. Bestellt wurden
die Reisen von seiner Sekretärin Hedda Höbig (Anlage 1 ). In diesem Fall flog Rau von Düsseldorf
nach England, um Helmut Schmidt zum 75. Geburtstag zu gratulieren und von dort nach München
in den Weihnachtsurlaub. Die Abrechnung ging per Fax direkt an die Staatskanzlei (Anlage 2 ). Am
Ende bezahlte die West LB „den für Sie durchgeführten Flug“ (Anlage 3 ) über eine „Gesamtflugzeit“
von 5:46 Stunden. Und das, obwohl der Jet nur 2:46 Stunden in der Luft war. Bei Reisen von
MP Rau wurde nämlich im Mittel zu jeder Flugbewegung exakt eine Stunde addiert. Zum Verständnis:
„Airtime“ ist die Zeit, in der sich der Jet in der Luft befindet. Großkunden zahlen in der Regel
nur diese Airtime. „Blocktime“ ist dagegen die Zeit zwischen dem Abdocken vom Privatflieger-
Terminal GAT (General Aviation Terminal) bis zum Andocken am GAT des Zielflughafens. Allein
bei diesem Flug zahlte die Bank mithin 9.900 DM plus Nebenkosten mehr als andere Großkunden
von PJC. Diese Extra-Stunde pro Flugbewegung zieht sich wie ein roter Faden durch die 50 PJCTrips
von Rau, dem Schutzengel des Betrugsinstituts WestLB. Auch das war schlichter Betrug, aber
ein so offensichtlicher, dass kein Rechnungsprüfer und kein Steuerbeamter sich je getraut hätte, Rau
anzuzeigen. Die PJC-Ordner lagen später auch dem Untersuchungsausschuss des NRW-Landtags
und der Staatsanwaltschaft vor. Doch Rau blieb Bundespräsident. Wulff ging wegen 753,90 Euro....

Peine, den 19. Dezember 2013 - gez.: Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz