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Günter Grass - Mitglied der Waffen-SS. Der moralische Zeigefinger der Nation - freiwilliges Mit-
glied von Hitlers ,,Elitetruppe". Den Wächtern von Auschwitz, Bergen-Belsen und Drütte. Einer
Organisation, die bei den Nürnberger Prozessen als verbrecherisch eingestuft wurde. Meine erste
Reaktion: Das muss ein Druckfehler sein. Bis dato kannte ich lediglich die vom Autor selbst auto-
risierte Version vom Flakhelfer. Zu keinem Zeitpunkt war die SS-Historie des Nobelpreisträgers
ein Thema. Doch Grass hat sich gehäutet. Als ehemaliger SS-Mann steht er vor staunendem Pu-
blikum. Was unter der Schale sichtbar wurde, ist krass! Ein notorischer Lebenslügner. Umgehend
hebt heftiger Streit an. Nicht nur unter Intellektuellen. Schwerste Kritik und beißender Spott auf
der einen Seite. Verständnis für das späte ,,Coming Out" des Blechtrommlers auf der anderen.
Fragen: Was wäre gewesen, wenn Grass` SS-Historie bekannt gewesen wäre? Wäre Grass der
deutsche Vorzeige-Autor geworden, wenn...? Wäre er ,,die moralische Instanz" dieser Republik,
wenn...? Wäre er Ehrenbürger von Danzig geworden, wenn...? Hätte er gar den Nobelpreis erhal-
ten, wenn...? Schließlich: Wie hätte Grass sich verhalten sollen, bzw. müssen? Er, der der Väter-
Generation stets das Vertuschen bei der Aufarbeitung der Nazi-Zeit vorhielt - und selbst schwieg.
Beispiele: Im Gegensatz zu Nobelpreisträger Grass haben andere Deutsche sich da schwerer getan.
Mein Vater - Soldat im zweiten Weltkrieg bei den Pionieren - machte es anders. Er sprach da-
rüber. In den Fünfziger Jahren bereits. Einer Zeit also, als der Holocaust noch ein absolutes Tabu-
Thema war. Er war damals Lehrer einer einklassigen Dorfschule in Hessen. Gegen Ende des Krie-
ges hatte er von einem SS-Mann - möglicherweise einem Kameraden von Grass - vom Holocaust
erfahren. Auf seine Frage, ob man die Juden im Osten ansiedele, hatte der SS-Mann geantwortet:
,,Die Mühe machen wir uns nicht. Wir siedeln sie gleich in den Himmel um." ,,Ich hätte mit die-
sem Wissen als Christ handeln müssen", sagte mein Vater - gleichzeitig auch mein Lehrer in der
Grundschule. Aus Angst um das eigene Leben habe er jedoch nicht den Mut dazu gehabt. Diese
Schuld verfolgte ihn sein ganzes Leben. Für uns, seine Schüler, ein prägendes Erlebnis.
Erhellend die Erklärungsversuche des Nobelpreisträgers: ,,Und für mich, da bin ich in meiner Er-
innerung sicher, war die Waffen-SS zuerst einmal nichts Abschreckendes, sondern eine Elite-
einheit, die immer dort eingesetzt wurde, wo es brenzlig war, und die, wie sich herumsprach, auch
die meisten Verluste hatte." Er habe als Freiwilliger zur U-Boot-Truppe gehen wollen. Dort habe
man aber niemanden mehr genommen. So sei er schließlich als Siebzehnjähriger zur Waffen-SS
einberufen worden. Dort habe er in der 10. SS-Panzerdivision ,,Frundsberg" gedient. Benannt nach
Georg von Frundsberg, einem Landsknechtsführer - viel Feind viel Ehr. Die Truppe kämpfte zu
diesem Zeitpunkt an der Ostfront. Die SS sollte Hitlers Fluchtweg an der Oder sichern. Grass habe
jedoch keinen Schuss abgegeben, gleichwohl bis zum Schluss an Führer und Endsieg geglaubt!
Grass selbst gab im Rahmen seines denk- bzw. merkwürdigen Interviews gegenüber der FAZ an,
nicht zu wissen, ob er den richtigen Zeitpunkt verpasst habe. Walter Jens, der selbst seine aktive
Mitgliedschaft in der NSDAP über Jahrzehnte aktiv verschwieg, äußert Verständnis. Verständlich.
Historiker Michael Wolffsohn dagegen sieht Grass` Lebenswerk als entwertet an, was den morali-
sierenden Teil angeht. Grass-Biograf Jürgs spricht gar vom ,,Ende einer moralischen Instanz".
Dabei geht es nicht nur um seine SS-Mitgliedschaft als junger Freiwilliger. Was weit mehr zählt
ist der Zeitpunkt seiner Häutung! Vor 5, vor 10, oder vor 21 Jahren? Anlässlich der Kranznieder-
legung in Bitburg? Anlässlich der Verleihung des Nobelpreises? Da war es längst zu spät. Er, der
Kurt Georg Kiesinger einen ,,Nationalsozialisten" nannte, fälschte den eigenen Lebenslauf. Aktiv!
Die Lüge begann mit seinem ersten Lebenslauf. Mit der Legende vom Flakhelfer baute Grass Le-
ben und Karriere auf einer Lüge auf. Seinen Worten und Schriften fehlte so von Anbeginn die
Basis. Was bleibt sind Trümmer. Trümmer einer Legende. Einer Legende die sich selbst zerstörte,
da sie statt auf einem moralischen Fundament auf einer Lüge stand. Aus Grass wurde GraSS.
(Siehe dazu auch Selenz` Kommentar vom 4. Dezember 2005 ,,In Memoriam Werner Selenz")
Peine, den 14. August 2006 gez. Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz
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