Die Merkers

Buchbesprechung Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz
Bruno Hermann - ,,Die Merkers"
Lebensroman eines Arbeiters

Ostfalia-Verlag Osterwieck 2011 ISBN 978-3-926560-55-1
Herausgegeben von Friedhelm Überheide und Jürgen Schierer
mit freundlicher Unterstützung der Salzgitter AG

Der Autor: Bruno Hermann wurde am 20. Februar 1888 in Allenstein/Ostpreußen geboren. Im
1. Weltkrieg schwer verwundet, engagierte er sich in der Nachkriegszeit als Arbeiterrat. Zwischen
1920 und 1933 war Bruno Hermann mehrfach Mitglied des Betriebsrates des Peiner Walzwerkes.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde er mit der Vertretung der Interessen der Belegschaft betraut und
gehörte kurzfristig dem hannoverschen Landtag an. Von 1947 bis 1955 war er Betriebsrats-
vorsitzender. Seit 1947 gehörte er dem Aufsichtsrat der Hüttenwerke Ilsede Peine AG an, ab 1952
auch dem der Ilseder Hütte. Sein Einsatz galt darüber hinaus den zahlreichen Flüchtlingen, die der
Krieg nach Peine verschlagen hatte. Senator Bruno Hermann, Mitglied des Verwaltungsausschus-
ses des Rates der Stadt Peine, starb am 19. Januar 1957. ,,Die Merkers" schrieb er im Jahre 1929.

,,Die Merkers" müssten eigentlich ,,Die Hermanns" heißen. Bruno Hermann, alias Paul Merker,
beschreibt in seinem Buch nämlich sein Leben und die Geschichte seiner Familie. Sein Schreibstil
ist einerseits blumig, andererseits jedoch auch ebenso kompromisslos wie offen und direkt. Wenn
er es für angebracht hält, scheut er vor harten Ausdrücken nicht zurück. In seinem Lebensroman,
der in großen Teilen wie ein Tagebuch daherkommt, beschreibt er Ereignisse, wie seine Front-
erfahrungen aus dem 1. Weltkrieg, mit sensibler Präzision. Er gibt dabei zugleich tiefe Einblicke
in sein Seelenleben, in die Ängste, Zwänge, Sehnsüchte und Hoffnungen, die ihn sein Leben lang
begleiten. Das Leben eines Mannes, der über härteste Erfahrungen, erlittenes Leid, Entbehrungen
und große Sorge um sein Umfeld letztlich zu sich selbst findet. Ein Leben, wie es im Buche steht.

Vater Carl, alias Franz Merker, hatte in Ostpreußen Haus und Hof -im wahrsten Sinne des Wortes-
,,versoffen". Der Autor beschreibt den ,,Teufel im Leib" des Vaters mit der Abscheu des Kindes,
das unter dessen häuslicher Gewalt leidet, aber auch mit dem Verständnis des Sohnes, der den
guten Kern des Vaters sieht. Dem versucht er, zeitlebens nachzueifern. Nach der Zwangsverstei-
gerung des Hofes verschlägt es Fritz Merker mit seiner Familie nach Peine. Dort findet er Arbeit
im Stahlwerk. Der Suff verfolgt ihn indes auch in der neuen Umgebung. Das Leben ist hart, die
Arbeit im Werk aufreibend und gefährlich. Die Stahlwerker schätzen den überaus kräftigen Mann,
der keine Angst hat, sich beherzt für seine Kollegen einzusetzen, wenn sein Rechtsempfinden
rebelliert. Sohn Paul wächst auf in einem der Werkshäuser, die der Gründer der Ilseder Hütte
schon frühzeitig seinen Arbeitern zu Verfügung gestellt hatte. Kindheit und Jugend sind geprägt
vom täglichen Kampf um Brot, einer sich aufopfernden Mutter, dem strengen Pastor, einer steten
,,Bangigkeit" und Minderwertigkeitsgefühlen. Als junger Mann durchstreift er ruhelos die Welt.
Ein gebildeter Kollege bringt Paul Merker im Jahre 1918 dazu, sich selbst vielseitiges Wissen über
die Welt anzueignen. Fortan verschlingt er Bücher aller Art, bildet sich umfassend und versucht,
die Welt und deren Ordnung zu ergründen. Paul Merker befreit sich dabei vom ,,Schreckgespenst
Hölle", das ihn seit seiner Kindheit verfolgt. Gemeinsam mit seiner Frau Lisa verbringt er im
Sommer ein glückliches und freies Leben in einem Nudistencamp in der Nähe von Peine. Er
macht sich Gedanken über tradierte Gerechtigkeitsdefizite in der Gesellschaft. Seine persönlichen
Erfahrungen und sein emsig erarbeitetes Wissen münden in der Erkenntnis, dass ,,nur der Mensch,
der nach langer Geistesnacht erwacht, so deutlich und klar sieht, was die große Weltsünde ist."

Friedhelm Überheide, Ex-Betriebsrat des Peiner Stahlwerkes entriss gemeinsam mit Jürgen
Schierer, einem pensionierten Studiendirektor, das Manuskript tatkräftig dem Vergessen.
Hella Paulsen, Bruno Hermanns Enkelin, hatte das Werk - handgeschrieben in Sütterlin auf
feinsten Kanzleibögen - zur Verfügung gestellt. Anna Margret Janovicz, Enkelin des Gründers der
Ilseder Hütte, stellte schließlich die finanziellen Mittel für den Druck des Buches zur Verfügung.
Wer ,,Die Merkers" liest, wird unschwer feststellen, dass es sich bereits in der vorliegenden Form
um eine ziemlich perfekte Vorlage für ein interessantes Drehbuch handelt. Die Hauptrolle des
Paul Merker ist Armin Rhode wie auf den Leib geschrieben.... www.hans-joachim-selenz.de


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