Wer erinnert sich noch an die ,,Cash-Burning-Ratio"? Übersetzt: die ,,Geld-Verbrennungs-Ge- schwindigkeit"! Dieser Begriff wurde in der Hochphase des ,,Neuen Marktes" geboren. Er sollte der wahnsinnigen Veranstaltung an den Börsen einen tieferen Sinn unterlegen. Mit der Cash- Burning-Ratio wollten ,,Analysten" erklären, warum ein Unternehmen einen irrsinnigen Wert habe, obwohl es doch eigentlich nur Geld verbraucht bzw. verbrennt. Und das in irren Mengen. Je mehr Geld verbrannt wurde, desto ,,wertvoller" war die Firma. Man bezahlte bereits die ge- plante bzw. erhoffte Dividende des Jahres 2973. Natürlich wärmten sich einige Herrschaften ihre schmutzigen Finger an den Geld-Bränden! ,,Seriöse" Banken brachten Firmen an die Börse, von denen jedes Mitglied im Vorstand wusste, dass es sich um Blender handelte. ,,Unternehmer" mit einschlägiger Vergangenheit als willige Strohmänner gab es zur Genüge. Wenn schon alle so offen betrogen, wollten sich auch die ,,Öffentlich-Rechtlichen" noch schnell ein Stück vom Betrugskuchen abschneiden. Möglichst dick! Was der West LB ihre Infomatec, hieß bei der NORD/LB Met@box. Betrug pur. Die Staatsanwälte wurden in den politischen Tiefschlaf versetzt. In dem befinden sie sich auch heute noch. Dass bei dieser Wahnsinnsveranstaltung Hunderttausende dumme Kleinanleger zig Milliarden in den Börsen-Sand setzten, war der tiefere Sinn der Veranstaltung! Das Geld ist ja nicht verschwunden. Es befindet sich lediglich in anderen Händen. Kollateral-Schäden nennt man so etwas heute. Unvermeidbar also...... Die Blase ,,Neuer Markt" machte nämlich letztlich das, was jede Blase final macht. Sie platzte.
Haben wir daraus gelernt? Offensichtlich nicht. Mit der Blasenbildung geht es munter weiter. Aktuell: ,,Siemens sorgt für eine Überraschung". Die Welt-Firma Siemens verkauft ihre Handy- Sparte. Der Grund: Verluste von zur Zeit 1,5 Mio. Euro pro Tag. Das Unternehmen trennt sich am Hochlohnstandort Deutschland von einer Hochtechnologie-Sparte mit enormen Wachstums- chancen. Der Erwerber, die taiwanesische Firma BenQ, erhält als Morgengabe sogar noch 350 Mio. Euro in bar dazu. Die Zukunft der Produktionsstandorte in Deutschland und die der 6.000 Mitarbeiter ist völlig offen. Der Käufer kündigt an, Kosten bei den Zulieferern zu drücken. Mit Infineon werde man weiter arbeiten - wenn der Chip-Hersteller gute Preise in die Partnerschaft einbringe. Zur Erinnerung: Infineon war am 13. Februar 2000 in der Hoch-Zeit des Neuen Marktes für 35 Euro/Aktie an die Börse gebracht worden. Von Siemens! Der aktuelle Kurs liegt bei 7,31 Euro. Darüber hinaus schließt Bosch-Siemens zum Jahresende das Waschmaschinen- Werk in Berlin-Spandau. Hunderte Mitarbeiter stehen dann auch dort auf der Straße. Die Entscheidungsstrukturen im Hause Siemens seien zu schwerfällig für das schnellebige Kon- sumgeschäft. Siemens hat kein Produktions-, sondern ein Marketing- und Vertriebsproblem. Hat Siemens die richtigen Manager? Siemens-Chef Kleinfeld kündigt auch für andere Problemfelder des Konzerns ,,schnelle Lösungen" an. Wenn fertige Innovationen doch nur ebenso schnell zu neuen Siemens-Produkten umgesetzt würden. Parallel dazu kündigt Electrolux an, den Standort Nürnberg mit 1750 Mitarbeitern zu schließen. Dort produzierte Hausgeräte seien auf dem deut- schen Markt nicht mehr zu verkaufen. Einige deutsche Manager sägen gerade die Äste ab, auf denen wir und unsere Kinder auch in Zukunft sitzen und ernten wollten. An abgesägten Ästen wachsen keine Früchte mehr. Sie trocknen aus, taugen nur noch zum einmaligen Verbrennen.
Und was macht die Börse? Sie reagiert euphorisch. Der Dax steigt durch den Siemens-Schub auf ein neues Jahreshoch. Schnelles Geld und heiße Luft. Blasenbildung! Das Quartalsergebnis kann tatsächlich kurzfristig besser werden. Aber wovon will Siemens, wovon wollen wir in 40 Quarta- len leben? Das sind nur 10 Jahre! Es ist ein Irrglaube, anzunehmen, wir könnten uns zu einer rei- nen Service-Gesellschaft entwickeln, weil Produktion bei uns zu teuer ist. Wovon - bitte schön - wollen wir Friseur und Bäcker bezahlen? Wir können uns schließlich zukünftig nicht nur gegen- seitig die Haare schneiden oder Brötchen backen! Fit bleibt man im Weltmarkt nur, wenn man selbst produziert. Produktion im ständigen Dialog mit dem Kunden. Das hält in Form und erhält die Arbeitsplätze. Die ,,alte" Stahlindustrie macht uns das seit langem vor. Das ist keine Blase!
Peine, den 9. Juni 2005 gez.: Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz
|