VW-Hauptversammlung 3. Mai 2006 Hamburg (Redemanuskript die aktualisierte Rede kann bei der VW AG angefordert werden)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu meiner Person: Mein Name ist Hans-Joachim Selenz. Ich war Mitglied des Vorstands der Preussag AG und Vorstandsvorsitzender der Salzgitter AG.
Am 12. Januar dieses Jahres machte Ministerpräsident Wulff einen bemerkenswerten Vorschlag. Er forderte, den Mittellandkanal von oben in das VW-Verwaltungsgebäude einzuleiten, um bei VW ,,auszumisten"! Herr Wulff erntete für diesen konstruktiven Vorschlag viel Applaus in der Runde der Unternehmer der IHK Lüneburg/Wolfsburg. Herr Wulff kennt als Aufsichtsrats-Mit- glied den Zustand der VW AG besser als viele von Ihnen im Saal, meine Damen und Herren Aktionäre. Seine Zuhörer in der IHK-Runde kannten das Innenleben von VW offensichtlich auch, daher der große Applaus.
Sie erinnern sich vielleicht noch, dass ich im letzten Jahr eine Sonderprüfung der VW-Bilanz ge- fordert hatte. Hintergrund war die aktienrechtlich nicht statthafte Entnahme von Geldern durch Aufsichtsräte und Vorstände dieses Unternehmens für private Zwecke. Zudem ging es um Beratungshonorare für ehemalige Mitglieder des AR. Sie erhielten - wie z. B. Ex-MP Sigmar Gabriel - Geld für dubiose Leistungen als ,,Volks-Wagen-Vertreter." Der Antrag wurde am 21. April 2005 mit der Mehrheit des Landes Niedersachsen bei einer Präsenz von insgesamt 33,9 % (stimmberechtigter Aktien) abgelehnt. In der Zwischenzeit hat sich gezeigt, dass die vor einem Jahr vorgestellten Betrugsvorgänge nur die Spitze des Eisberges waren. Wie Sie an der Vorstands- und Aufsichtsrats-Riege sehen, haben die Organe der VW AG Federn lassen müssen. Ich kann Ihnen hier und heute versichern, dass dies nicht die letzten Federn waren.
Die Unterlagen der Staatsanwaltschaft Braunschweig, die ich Ihnen im letzten Jahr vorstellte, bildeten übrigens die Basis für mein ,,Schwarzbuch VW". Die Druckfahne meines Buches war vor dem Erscheinen vom niedersächsischen Ministerium der Justiz überprüft worden. Der Eichborn-Verlag stellte das Buch am 29. September letzten Jahres in Berlin vor. Das Verhör von Herrn Hartz wurde daraufhin von Okt./Nov. 2005 auf den 28. September vorgezogen! Die Justiz begann, sich um die Täter zu kümmern. In der Pressemappe habe ich einige Schreiben der bereits seit dem Jahr 2003 beteiligten staatlichen Strafverfolgungsbehörden aufgelistet. Es handelt sich um das BKA/HLKA (Wiesbaden), die Kriminaldirektion Nordhessen, die Steuerfahndung Braunschweig und die Staatsanwaltschaft Braunschweig. Seit 2003 wurde nur aktiv vertuscht. Und zwar zu dem Thema: ,,Beweismaterial über Unzulänglichkeiten in der Volkswagen AG."
Im letzten Jahr handelte es sich um Beträge im dreistelligen Millionenbereich, die aus dem In- vestitionsbudget der VW AG in dunklen Kanälen verschwunden waren. Außerdem um außer- gewöhnliche Ausgaben von Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrates. Das war für mich nicht weiter verwunderlich. Als Vorsitzender des Vorstandes der landeseigenen Salzgitter AG musste ich feststellen, dass die damalige Landesregierung an der Aufdeckung vergleichbarer Betrugsvorgänge ebenfalls nicht interessiert war. Die gravierenden Unregelmäßigkeiten hatte ich sogar schriftlich dokumentiert abgegeben. Damals wurde ausdrücklich kriminelles Handeln ge- deckt. Stattdessen wurde ich persönlich bedroht und sah mich am Ende symbolisch aufgehängt an einem Galgen auf dem KZ-Drütte wieder. Auch hier kennt MP Wulff die z. Tl. unsäglichen Hintergründe.
Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen versichern, dass es sich auch dabei um Vorgänge han- delte, die, ebenso wie diejenigen innerhalb der VW AG, ganz und gar nicht dem Bild ent- sprachen, das der Normalbürger sich von einem Unternehmen schon gar von einem Landes- unternehmen macht. Dies ist wichtig im Hinblick auf die Folgen nicht nur für das Land Niedersachsen, sondern auch für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland ganz allgemein. Wir haben es schließlich auch bei VW mit einem international agierenden Unternehmen zu tun.
1 Der Aufsichtsrat hat in den letzten Tagen erkannt, und gestern sogar beschlossen, dass es an der Zeit ist, die Kreise von Herrn Piech in diesem Unternehmen etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Es wird - einmalig in der bundesdeutschen Unternehmenslandschaft, soweit ich weiß - ein vierköpfiger Sonderausschuss eingerichtet, um Herrn Piech und seine ,,Interessenkollision" zu kontrollieren.
Meine Damen und Herren, das fiel den Kollegen von Herrn Piech in Vorstand und Aufsichtsrat 13 Jahre nach seiner Berufung zum Vorstandsvorsitzenden dieses Unternehmens ein! Zwischen- zeitlich hat sich der Zustand der Porsche AG blendend entwickelt. Die VW AG hat derweil mehr Schulden als Umsatz! Herr Wiedeking sagt seinen Porsche-Aktionären dazu im Geschäftsbericht 2004/5: ,,Die zu erwartende Aufhebung des VW-Gesetzes könnte jedoch leicht zu einer feind- lichen Übernahme von Volkswagen durch Investoren führen, was die langfristige Fortführung unserer Kooperation gefährden würde." Ihre Interessen, meine Damen und Herren als VW- Aktionäre, hatte Herr Wiedeking dabei offensichtlich nicht im Sinn.
Wie kam es zu dieser völlig unterschiedlichen Entwicklung bei VW und bei Porsche? Möglicherweise wurde in der Ära Piech ein zweistelliger Milliardenwert zu Gunsten von Porsche und zu Lasten von VW verschoben. Die in den letzten Monaten bekannt gewordenen Skandale zu Lasten von VW dienten daher möglicherweise der Realisierung weitaus größerer Schäden für die Volkswagen AG. Meine Damen und Herren, wir reden für diesen Fall von nichts anderem als Korruption und nicht nur von Untreue!
Um dies als Aktionär festzustellen und ggf. Schadenersatzansprüche geltend machen zu können, bedarf es einer Sonderprüfung der Geschäftsbeziehungen VW-Porsche nach § 142 AktG.
Ich beantrage daher nach eben diesem § 142 Absatz 1 des Aktiengesetzes die
Wengert AG, Wirtschaftsprüfungs-und Steuerberatungsgesellschaft Friedinger Str. 2 D-78224 Singen
als Sonderprüfer für die Geschäftsbeziehungen der Volkswagen AG mit der Porsche AG und mit Unternehmen der Familien Porsche und Piech einzusetzen. Insbesondere ist zu prüfen, inwieweit die folgenden Geschäfte zu marktüblichen Konditionen und nicht mit Nachteilen für den Volks- wagen-Konzern durchgeführt wurden:
1. Autohandel und Dienstleistungen um Fahrzeuge des VW-Konzerns in Österreich und Ost- europa über die Porsche-Holding in Salzburg unter besonderer Berücksichtigung der Firmen- gruppe Skoda. 2. Entwicklung und Produktion der Sport-Utility-Vehicles (SUV) Cayenne / Touareg mit Porsche. 3. Entwicklung und Produktion des neuen Hybrid-Motors. 4. Entwicklungsaufträge von VW an Porsche, u. a. an Porsche Engineering in Weissach. 5. Teilefertigung von VW für Porsche 6. Porsche-Lieferungen an VW 7. Weitere Geschäfte zwischen Porsche, VW und Unternehmen der Familien Porsche und Piech. 8. Regelungen und Kontrollmechanismen zu künftigen Geschäften.
Insbesondere ist die Entwicklung dieser Geschäfte in den letzten 10 Jahren nach Umsatz p. a. darzustellen. Ferner ist detailliert zu beschreiben, wer die zugehörigen Verträge geprüft hat und Nachteile für VW verhinderte.
Es ist darzulegen, dass die gleichen Geschäfte bei VW auch mit Dritten außerhalb des Umfeldes von Porsche üblich sind, also z. B. beim Autohandel in Westeuropa oder in Übersee bzw. bei technologischen Entwicklungen und Fertigungsvorhaben.
2 Die Sonderprüfung soll gesellschafts- und strafrechtliche Aspekte sowie die Schadenersatz- pflicht des Vorstandes und des Aufsichtsrates gegenüber der Volkswagen AG berücksichtigen. Nach §145 Absatz 6 AktG sind in den Prüfungsbericht auch Tatsachen aufzunehmen, deren Bekanntwerden VW einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen könnte.
Die formale Begründung des Antrages gemäß AktG liegt dem schriftlichen Antrag bei, den ich der Verwaltung und der Presse übergebe.
Die inhaltliche Begründung im Detail ist ebenfalls der Pressemappe zu entnehmen.
Zum Abschluss noch eine Frage an den VW-Finanzvorstand sowie den VW-Aufsichtsrat und niedersächsischen Wirtschaftsminister Hirche:
Laut Presse ist es im Bereich des Finanzamtes Gifhorn zu erheblichen Einbrüchen bei der Um- satzsteuer gekommen. Diese führten dazu, dass es in Niedersachen bei bundesweit sprudelnden Staatseinnahmen zu einem Einbruch von 6,2 % kam. Im Bundestrend wuchsen die Steuern dagegen um 19,4 %. Bei der Umsatzsteuer betrugen die Rückgänge in Niederachsen sogar 19 %. Durch das Finanzamt Gifhorn liefen bekanntlich auch seit Jahren die Eigenbelege in Millionen- höhe von Mitgliedern der Organe von VW. Laut Göttinger Tageblatt (22. April 2006) ,,fällt der Verdacht in diesem Fall auf den Volks- wagen-Konzern, der seine Auslandsgeschäfte über das Finanzamt Gifhorn abwickelt." Ich erinnere in diesem Fall an die betrügerischen Umsatzsteuerkarusselle, die der deutschen Staatskasse jährlich Schäden in Höhe von ca. 20 Mrd. Euro bescheren.
Meine Frage dazu: Ist die Volkswagen AG ebenfalls an einem derartigen Umsatzsteuerkarussell beteiligt?
Meine Damen und Herren, ob das Wasser des Mittellandkanals ausreicht, um alle Verschmut- zungen innerhalb der Volkswagen AG zu beseitigen, werden die nächsten Jahre zeigen. Mitarbeitern und Aktionären ist zu wünschen, dass endlich wieder nicht nur aktienrechtlich ordentliche Verhältnisse bei VW einkehren!
Hamburg, den 3. Mai 2006 gez.: Prof. Dr.-Ing.Hans-Joachim Selenz
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