Die SPD, Deutschlands älteste Partei, durchlebt bittere Stunden. Zu Fragen nach der Glaubwürdig- keit der Spitzenleute gesellen sich Intrigen, wohin man schaut. Nicht nur der Parteiausschluss von Ex-Superminister und NRW-MP Clement erschüttert die Partei. In Niedersachsen werden gegen Landeschef Duin sogar offen die Messer gewetzt. ,,Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, wir seien ein wilder Hühnerhaufen", sagt Ex-Pop-Beauftragter und Beliebigkeits-Chamäleon Sigmar Gabriel. Ein Genosse der neuen Generation, dem Willy Brandt oder Herbert Wehner nicht einmal einen Gebrauchtwagen abgekauft hätten. Was ist los mit der Partei, die den Weg dieser Republik über lange Jahre wesentlich bestimmte? Wehmütig erinnert sich manch frustrierter Genosse an die Zeiten, in denen alles besser schien. Die Devise damals: ,,Versöhnen statt spalten". Johannes Rau, MP-Vorgänger von Wolfgang Clement, prägte diesen Satz. Rau war - und ist auch heute noch - Vorbild vieler Genossen. Doch was steckte wirklich hinter seinen frommen Sprüchen?
Wir schreiben die Jahreswende 1997/98. Die beteiligten Genossen: SPD-Chef Oskar Lafontaine, Partei-Vize Johannes Rau, Gerhard Schröder, Bodo Hombach, Alfred Tacke und Friedel Neuber. Der STERN 5/98 berichtete über ,,Neues aus dem roten Intriganten-Stadl. Hinter den Kulissen wird Front gemacht gegen einen Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder - allen voran Partei-Vize Johannes Rau". Rau wollte Bundespräsident werden. Lafontaine hatte Rau angeblich zugesagt, ihn zu unterstützen. Dafür wollte der ihn zum Kanzlerkandidaten machen. Schröder und Lafon- taine standen sich in der Partei als Konkurrenten gegenüber. Die Landtagswahl in Niedersachsen sollte den Ausschlag geben. In dieser Situation inszenierten Rau und Intimfreund Neuber, Chef der West LB, eine ,,Riesenscheiße", so Schröder. Neuber hatte am 8. Januar 98 die Preussag Stahl AG heimlich an die Voest nach Österreich verkaufen lassen. Schröder konnte dies nur durch eine Brutal-Aktion stoppen. Am nächsten Tag in Neubers Büro in Düsseldorf. Raus Intrige war damit geplatzt. ,,Wäre der Vertrag mit Voest zustande gekommen, hätte man Schröder vorgeworfen, er habe das Parlament belogen und sein den Arbeitern gegebenes Wort gebrochen" so Alfred Tacke. Schröders Wahlkampfberater Bodo Hombach sekundierte ,,Die hätten mitten in der heißen Wahlkampfphase einen Clown aus Schröder gemacht, und die Arbeiter hätten ihm zu Recht die Stahlbarren in die Fenster der Staatskanzlei geschmissen". Als Chef der Preussag Stahl AG war ich unmittelbar Zeuge dieser Schlammschlacht um die Top-Positionen in der SPD. Das Tischtuch zwischen Schröder und Rau schien nach dieser heimtückischen Attacke auf Dauer zerschnitten. Doch auch Lafontaine soll sich ,,unwohl gefühlt haben, bei dem alternden Rau im Wort zu sein".
Mit dieser Intrige in eigener Sache hatte Rau die Spaltung der SPD eingeleitet. Nach Schröders Wahl im Herbst 98 stellte der zwar alle Bedenken Rau gegenüber hintan. Sein Verhältnis zu Lafontaine entwickelte sich indes desaströs. Ende Februar 99 anlässlich der ersten Moskau-Reise hatten sich die beiden nichts mehr zu sagen. Am 11. März trat Lafontaine zurück. Als Rau im Mai 99 tatsächlich Bundespräsident wurde, hatte Lafontaine längst alle Ämter niedergelegt. Tacke war Staatssekretär im Wirtschaftsministerium und Hombach Chef des Kanzleramtes. Ihm setzten nicht nur NRW-Staatsanwälte zu. Über den Balkan führte sein Weg schließlich auf den Chefsessel des WAZ-Verlages. Nutzte Tacke derweil sein Amt für seine spätere Industriekarriere? Per Minister- Genehmigung erlaubte er E.on den Kauf der Ruhrgas. Mittlerweile ist er Chef der Ruhrkohle- Tochter STEAG. Größter Aktionär der Ruhrkohle war - natürlich rein zufällig - E.on. Über den Weg Schröders vom Kanzleramt zu Gazprom ist alles gesagt. Da könnte doch glatt der Verdacht aufkommen, Schröder, Tacke und Hombach hätten den Begriff ,,Genosse" aus der Jägersprache abgeleitet. ,,Genossen machen" bedeutet unter Jägern, den Jagdhund durch einen Teil der Beute zu motivieren... Lafontaine ist inzwischen der einzige Genosse, der noch professionell Politik macht!
Bereits am 13. Februar 2000 berichtete SPIEGEL-TV über Rau: ,,Doch Bruder Johannes war nicht so fromm, wie er tat". Rau war in der Tat alles andere als der Mann, der er vorgab zu sein. ,,Johannes der Täuscher" war er für die Genossen, die ihn kannten. Rau und Neuber sind zwar in- zwischen gestorben. Wären Ausmaß und Hintergründe der unsäglichen Rau-Intrigen auch öffent- lich bekannt, hätte die SPD vermutlich Schwierigkeiten, die 5-Prozent-Hürde zu überwinden.
Peine, den 25. August 2008 gez.: Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz
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