Rainer Speer ist Innenminister des Landes Brandenburg. Zuvor war er Finanzminister und auch einmal Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung. Sein Chef -damals wie heute -Matthias Platzeck. Speer ist Computer-Freak -im Dienst wie auch privat. Sein Lap-Top hat er stets dabei. Im Herbst 2009 kam ihm das jedoch abhanden. Damit begann für den Minister ein Problem. Die Informationen, die sich angeblich auf dem Lap-Top befanden, beschäftigen inzwischen die Justiz. Die Dokumente, ca. 240 E-Mails, waren der BILD-Zeitung angeboten worden. Deren Reporter hatten den Minister zu den Inhalten einiger Mails befragt. Speer zog sich jedoch umgehend in seine ,,Privat-Sphäre" zurück, sagte gar nichts und nahm sich einen Anwalt. Der beantragte per einstweiliger Verfügung, die journalistische Verwertung der E-Mails zu untersagen. Richter Mauck vom LG Berlin erließ tatsächlich eine derartige Verfügung -strafbewehrt mit bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Haft. Findige Anwälte wenden sich deutsch-landweit an die Richter Buske & Co in Hamburg sowie Mauck & Co in Berlin. Deren Kammern werden immer wieder gern dazu benutzt, Vorgänge mit möglicherweise straf-und zivilrechtlichem Hintergrund, die von unseren politisch abhängigen Staatsanwaltschaften nicht verfolgt werden -dürfen, aus den Medien und dem Internet zu verbannen. Insbesondere für Prominente aus Politik und Wirtschaft eine gern genutzte Möglichkeit, die Vorgänge auf diese Weise elegant unter den Teppich zu kehren. Und das sogar noch mit offiziellem gerichtlichem Segen! Wenn die Staatsanwälte untätig bleiben müssen und die Presse abgestellt ist, ist die Kuh vom offenen Eis. Im Fall Speer geht es um ein Kind, dessen Vaterschaft und Unterhalt. Frage: Zahlt der Staat für eine Privat-Angelegenheit des Staats-Dieners Speer? Die Verhandlung Speer gegen BILD fand am 21. September vor dem LG Berlin statt. Dabei stellte sich heraus, dass eine Frau Unterhaltsvorschuss und Sozialhilfe bezogen hatte, die -laut E-Mail-Verkehr -mit Minister Speer privat verkehrt haben könnte. Die Frau legte jedenfalls eine eidesstattliche Erklärung vor, nach der sie tatsächlich Unterhaltsvorschuss und Sozialhilfe bezogen hat. Speer seinerseits ließ eidesstattlich erklären: ,,Ich bin seinerzeit bei und nach der Geburt des Kindes davon ausgegangen, nicht der Vater zu sein." Das Gericht befand das von Verlagsseite vorgelegte Material sei ,,zu dünn", von zweifelhafter Herkunft und seine Echtheit fraglich. Angesichts der dargelegten Vorwürfe und der eidesstattlichen Einlassungen der Beteiligten ist dies eine geradezu klassische Vorzensur. Selbst wenn man unterstellt, dass die von BILD vorgelegten Dokumente einer Straftat entstammen, so ist ihre journalistische Verwertung deswegen nicht von vorn herein unzulässig. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu 1984 in seiner Entscheidung im Fall Wallraff festgestellt: ,,Demgegenüber fällt die Verbreitung rechtswidrig erlangter Informationen in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG. Hierfür sprechen mehrere Gründe. Einmal wäre es wenig folgerichtig, ein Aussageverweigerungsrecht aus der Pressefreiheit abzuleiten, wenn diese nicht auch die Veröffentlichung dessen umfasste, was ein Informant auf rechtswidrige Weise erlangt und der Presse zugetragen hat. Zum anderen könnte die Kontrollaufgabe der Presse leiden, zu deren Funktion es gehört, auf Missstände von öffentlicher Bedeutung hinzuweisen (vgl. BVerfGE 60, 234 [240 f.] Kredithaie). Das gleiche gilt für die Freiheit des Informationsflusses, die gerade durch die Pressefreiheit erhalten und gesichert werden soll. Unter diesem Gesichtspunkt, aber auch unter dem des Schutzes der Presse und ihrer Tätigkeit würde ein gänzlicher Ausschluss der Verbreitung rechtswidrig beschaffter Informationen aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG dazu führen, dass der Grundrechtsschutz von vornherein auch in Fällen entfiele, in denen es seiner bedarf." (BVerfG, AfP 1984, 94, 96) Man kann nach diesem Urteil allen Steuerflüchtigen nur raten, ihre Anwälte in Richtung Mauck & Co in Marsch zu setzen. In Berlin und vielleicht auch in Hamburg sollen sie die Verwertung der von deutschen Regierungsstellen mit Steuergeldern erworbenen gestohlenen Daten aus der Schweiz und Liechtenstein umgehend verbieten lassen. Handelt es sich doch ebenfalls zweifellos um Daten mit ,,zu dünnem" Inhalt, von zweifelhafter Herkunft und fraglicher Echtheit. Ob es dem einfachen Bürger allerdings gelingt, seine ,,Privat-Sphäre" ebenso zu schützen, wie der Staats-Diener Speer, ist mehr als zweifelhaft. So ganz ,,privat" ist man eben nur beim Staat. Peine, den 23. September 2010 gez.: Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz
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