Gut 5 Jahre ist es her (s. u. im Artikel von Dr. Heinen). Zehntausende verloren damals ihren Arbeitsplatz nicht nur in Oberhausen. Der Untergang der BabcockBorsig AG ist ein typisch deutsches Kriminalstück. Ohne die bestochenen Wirtschaftsprüfer hätte es den 5MilliardenKonkurs nie gegeben. Die WPs "managten" übrigens zur selben Zeit teilweise sogar in Personalunion auch den VWSkandal.
MfG HansJoachim Selenz
URL: http://www.welt.de/print welt/article400690/Der_Preussag_Umbau_fordert_viele_Opfer.html
18. Juli 2002, 00:00 Uhr Von Guido Heinen Der PreussagUmbau fordert viele Opfer
Das Debakel bei BabcockBorsig hat eine lange, verschlungene Vorgeschichte, die tief in die Preussag hineinreicht. Dabei geht es nicht zuletzt um massive Betrugsvorwürfe
Königslachse, Stahlkopfforellen, Zander die Angler am Ohio River, direkt in der Nähe des Staudamms Robert C. Byrd, wissen, auf was sie hier hoffen dürfen. Dass der Staudamm, der ihnen dieses Fischvorkommen bietet, mit ein Grund für eine der größten Firmenpleiten im fernen Deutschland sein könnte, werden sie nicht wissen. Dabei ist das Projekt Robert C. Byrd, das die amerikanische PreussagTochter Noell Mitte der neunziger Jahre realisierte, Teil eines deutschen Unternehmenskrimis. An dessen Ende gibt es sogar eine Leiche: die Babcock Borsig in Oberhausen.
Das Kriminalstück, das im Wesentlichen in den Vorstandszimmern von WestLB und Preussag spielt und seit mehr als zehn Jahren läuft, beginnt im November 1989. Damals kauft die Preussag die staatseigene Salzgitter AG. Es ist einer der ersten großen Coups von Friedel Neuber (SPD), damals nicht nur Chef der Westdeutschen Landesbank, sondern auch Aufsichtsratsvorsitzender der Preussag. Wie so viele seiner Geschäfte ist auch dieses ein genialer Mix aus Wirtschaft, Politik und Unternehmensführung. Denn für den Kaufpreis von 2,5 Milliarden Mark erwirbt die Preussag ein Unternehmen, das allein 2,5 Milliarden Mark in der Kasse hat und im Kern wohl rund zwölf Milliarden Mark wert ist.
Flugs wird, damit der Deal nicht allzu anstößig daherkommt, ein Gutachten bestellt. Darin testieren Wirtschaftsprüfer der damaligen ,,Treuarbeit" dem Unternehmen einen Wert von zwei Milliarden Mark, der riesige Immobilienbesitz mit 40 000 Wohnungen sollte dagegen nur 440 Millionen Mark wert sein. Die Stadt Salzgitter war damals nahezu identisch mit dem Staatsunternehmen. Pikant angesichts der niedrigen Taxierung des Immobilienvermögens: es war allein mit zehn Milliarden Mark versichert. Da jedoch die Preussag wegen vertraglicher Bindungen in den nächsten zehn Jahren höchstens 2500 Wohnungen verkaufen dürfe, wurden sie niedriger angesetzt. Mehrere Tausend Hektar Bauland, Ackerland und Wald gab's ohne Bewertung einfach so dazu.
Schon 1988 hatte Friedel Neuber seinen ,,Ziehsohn" Michael Frenzel als Vorstandsmitglied zur Preussag geschickt. Als Frenzel im Januar 1994 Vorstandschef wird, kann er den Geldsegen aus Salzgitter gut gebrauchen. Zwar glaubte die Bundesregierung unter Helmut Kohl, die vertragliche Bindung für den attraktiven Immobilienbestand fest genug gezurrt zu haben dennoch
verscherbelte die Preussag bis 1997 rund 8500 zum Teil sozialgebundene Wohnungen, Geld, dass bald darauf in die horrend teuren Tourismusprojekte von Neuber und Frenzel gepumpt wird.
So beginnt in den neunziger Jahren der zweite Akt des Stücks: die milliardenschweren Erlöse aus der nun geplünderten Salzgitter werden im unübersichtlichen Konglomerat Preussag verteilt. Zeitweise besteht der Konzern aus über 500 Unternehmen, zumeist in der Stahl, Anlagenbau und Energiebranche. Diese Unternehmen gelten auf dem Weg der Preussag in Richtung Touristikmulti natürlich als ,,Altlasten", die abgestoßen werden sollen.
Der Überblick ging dabei zuweilen verloren. So häufte etwa die Anlagenbau Tochter Noell zwischen 1994 und 1998 Verluste von rund 1,5 Milliarden Mark auf. Allein die Kosten des von ihr erstellten Staudamms Robert C. Byrd überstiegen die Auftragssumme um das Siebenfache. Immer wieder nahm man Aufträge für Projekte an, die man noch nie zuvor realisiert hatte.
Interne NoellBerechnungen, die der WELT vorliegen, belegen, dass die PreussagTochter allein im Laufe des Jahres 1996 mit einer ,,Planabweichung" von 465 Millionen Mark zurechtkommen musste. Ein guter Teil davon wurde bei der amerikanischen Tochter Noell Inc. ,,untergebracht" und für den deutschen Beobachter unsichtbar gemacht. Auch der Ausflug in die Telekommunikation, an dessen Ende die Firma Hagenuk pleite war, brachte rund eine Milliarde Miese.
Doch das gigantische Loch von insgesamt 2,5 Milliarden Mark fiel außen Stehenden nicht auf. Geschickt wurden alle möglichen EinmalErlöse aus dem Vermögen anderer Töchter zur Kaschierung eingesetzt. Auch im Aufsichtsrat wurde darüber gesprochen, Konsequenzen wurden keine gezogen. Im Jahr 1997 erreichte die Kreativität der Buchhalter offenbar ihren Höhepunkt. Das frühere Vorstandsmitglied, HansJoachim Selenz, weigerte sich im Januar darauf gar, den Jahresabschluss zu unterzeichnen ein einmaliger Vorgang, der nicht nur zu lautstarken Wutausbrüchen Neubers, sonden Anfang Februar auch zur Trennung der Preussag von Selenz führte.
Er wirft dem Unternehmen heute gegenüber der Staatsanwaltschaft ,,Bilanzmanipulation" vor. Die Erträge aus den Wohnungsverkäufen sowie Erträge im Firmenverbund aus der Auflösung von Rückstellungen und der Veräußerung anderer Vermögensgegenstände seien mit den operativen Verlusten der Noell und der Hagenuk verrechnet worden. Innerhalb der Preussag, so Selenz, habe man augenzwinkernd vom ,,Umrubeln" gesprochen.
Dieser angebliche operative Gewinn der Preussag hatte im Übrigen gleich einen doppelten Effekt: zum einen wurde eine Dividende an die nichts ahnenden Aktionäre gezahlt. Zum anderen bescherte sie dem Aufsichtsrat ein fettes Zubrot.
Dass der Vorwurf der Quersubventionierung nicht aus der Luft gegriffen ist, belegt ein Vorgang im Wirtschaftsausschuss des niedersächsischen Landtages. Am 28. November 1997 spricht Wolfgang Schultze, SPDAbgeordneter und damals PreussagVorstand, wohl versehentlich die Wahrheit aus: Es habe ,,eine nicht unerhebliche Quersubventionierung für den Anlagenbau . . . und für den Werftbereich gegeben". Er wolle ,,hier aus ganz bestimmten Gründen keine Beträge nennen, aber ich kann sagen, dass sich das dann, wenn man den Kaufpreis auf der einen Seite sieht, und das, was dann im weiteren Verlauf an Subventionierung, an Übernahme und an Vermeidung von Entlassungen geleistet wurde, ganz gut ausgleicht."
Im dritten Teil des Krimis sind die Beteiligten damit beschäftigt, die Milliardenlöcher nicht nur intern, sondern auch nach außen unsichtbar zu machen. Der PreussagJahresabschluss 1996/97 lässt die schlimmsten Zahlen so dreist verschwinden, dass Selenz am 7. Januar 1998 schriftlich eine Sonderprüfung durch einen zweiten Wirtschaftsprüfer fordert. Sein Unbehagen angesichts des PrüferTeams der ,,C+L Deutsche Revision" war offenbar nicht ganz unbegründet: deren Prüfer sind für die Preussag seit den achtziger Jahren tätig. Sie schrieben damals noch als ,,Treuarbeit" auch das umstrittene SalzgitterImmobilienGutachten. Und sie sind bis heute, inzwischen unter ,,Pricewaterhouse Coopers", auch Hauptprüfer der WestLB.
Für das Geschäftsjahr 1996/97 absolvierten sie für die Preussag eine besonders waghalsige Nummer. Denn obwohl das Vorstandsmitglied Selenz am 7. Januar eine Sonderprüfung forderte und dabei ausdrücklich Zweifel an der ,,Vertragskonformität" der Preussag in der Immobilienfrage formulierte und nach der 2,5 Milliarden DM umfassenden Quersubventionierung fragte, testierten die Prüfer zum 12. Januar seelenruhig den Jahresabschluss.
Auffällig ist nur: weder im Geschäftsbericht noch im Bundesanzeiger, in dem die Testate veröffentlicht werden, sind Unterschriften unter den Dokumenten zu finden. Ist dies angesichts des im Raume stehenden 2,5 MilliardenBetrugs Vorwurfs der Versuch einer vorsorglichen Absicherung?
,,Der Jahresabschluss enthält alle für einen odnungsgemäßen Jahresabschluss notwendigen Unterschriften und wurde vom Aufsichtsrat verabschiedet. Die Vorwürfe entbehren jeglicher Grundlage", erklärte ein UnternehmensSprecher der TUI (vormals Preussag) auf Anfrage der WELT.
Sicher wurden aber die seltsamen Volten der Prüfer dadurch erleichtert, dass der damalige C+LChef und der für die Preussag zuständige Leiter der Hannoveraner Niederlassung mit Ehefrauen von Friedel Neuber nach Atlanta zu den Olympischen Spielen eingeladen wurden. Im August des umstrittenen Geschäftsjahrs verfeierte eine illustre Runde, an der neben den Wirtschaftsprüfern auch PreussagVorstandvorsitzender Michael Frenzel teilnahm, auf Einladung des WestLBChefs und Preussag Aufsichtsratsvorsitzenden Neuber rund 800.000 Euro.
Aber nicht nur die Unterschriften der Wirtschaftsprüfer fehlen unter dem PreussagAbschlussTestat. Auch der Vorstand des Unternehmens, in den Jahren davor und danach stets den Vorschriften gemäß mit Namen und Unterschrift präsent, hat nur kollektiv als ,,Der Vorstand" unterzeichnet keine Unterschriften, keine Namen. Sonst wäre ja auch aufgefallen, dass der Jahresabschluss bis heute von Selenz, der erst knapp vier Wochen später das Unternehmen verließ, nicht unterzeichnet wurde. Dem arglosen Leser des Geschäftsberichts wird hingegen vorgespiegelt, der Vorstand habe in seiner Gesamtheit unterschrieben. Die Wirtschaftsprüferkammer hat am Dienstag angekündigt, deswegen bei PwC genauer nachzufragen.
Der Preussag/TUIKonzern ist sozialdemokratisch dominiert, ein Produkt öffentlicher Wirtschaft unter den Augen der Landesregierungen von Niedersachsen und NordrheinWestfalen. Der damalige Ministerpräsident Gerhard Schröder, hinter dessen Rücken Neuber im Januar 1998 die profitable Preussag Stahl an die Österreicher verkaufen wollte, weiß um Leichen in Neubers Keller. Als er den Verkauf in einem hitzigen Gespräch in Düsseldorf in letzter Minute stoppte, drohte er, so berichtet ein Teilnehmer, unterschwellig. ,,Schröder wusste um die katastrophalen Entwicklungen bei der Preussag. Bereits im Dezember 1997 hatte er vor dem niedersächsischen Landtag eingeräumt, dass nach
seinen Recherchen Geschäftsbereiche mit deutlich schlechterem Ergebnis operierten als die Stahlabteilung.
Aber die PolitikConnection ist im Unternehmen gut verankert. So wirkt neben Neuber im Aufsichtsrat und Frenzel als Vorstandsvorsitzendem auch der frühere österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky im Aufsichtsgremium mit. Und durch die parteilose FrenzelVertraute, Susanne Knorre, früher Preussag Kommunikationschefin mit Prokura und heute Wirtschaftsministerin in Hannover, hat der Konzern einen guten Draht in die SPDLandesregierung.
Immer drängender fragen Aktionäre heute nach dem ,,PreussagSchrott" und seinem Verbleib in den letzten Jahren. Wohin wurden die unrentablen Anteile verschoben? Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, sprach in der WELT bereits von ,,kaum durchschaubaren Transaktionen zwischen Preussag und Babcock". WestLB und Tochter Preussag hielten 43 Prozent an Babcock, mehrere Mitarbeiter der Preussag wechselten in Vorstand und Aufsichtsrat von Babcock. Hinter vorgehaltener Hand sprechen Insider bereits davon, dass die Preussag ihre Verlustbringer über die Babcock ,,sozialisieren" wollte.
Tatsache ist: die miserabel geführte Noell ging zum 1. Oktober 1998 an Babcock und die Altlasten gleich mit. Damals machte die PreussagNoell einen Jahresumsatz von 1,9 Milliarden Mark aber keinen Pfennig Gewinn. Ein gutes Geschäft für die Preussag, trotz des Fischreichtums an manchem Pleiteprojekt kein guter Fang für die Babcock. Er trug zu ihrem Ersticken bei.
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