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Rede zur Hauptversammlung der TUI AG 2013

„Meine Damen und Herren, mein Name ist Hans-Joachim Selenz. Der eine oder andere erinnert sich sicher noch an meine Rede zur Hauptversammlung 2012. Die fand am 15. Februar statt. Ich präsentierte damals zwei Rechnungen der TUI Deutschland GmbH. Es waren die Rechnungen 21 572 und 21 574. Sie betrafen Sylt-Urlaube der Herren Wulff und Groenewold vom 31. bzw. 30. Oktober bis zum 3. November 2007. Angeblich waren die Rechnungen bereits im Vorfeld von Herrn Groenewold beglichen worden. Ministerpräsident Wulff und seine Freundin Bettina Körner konnten somit ihr Zimmer Nr. 135 angeblich nicht mehr vor Ort bezahlen und steckten daher Herrn Groenewold das verauslagte Geld in bar zu. Beide TUI-Rechnungen wiesen indes als Datum den 2. November aus, also den vorletzten Tag des Sylt-Ausflugs. Somit hätte man den Sylt-Trip durchaus an Ort und Stelle begleichen können. Es gab also eine offensichtliche Diskre-panz zwischen den Aussagen der Beteiligten und den Rechnungs-Daten. Kopien der beiden Rechnungen verteilte ich nach meiner HV-Rede hier im Congress-Centrum in Hannover. Bereits am nächsten Tag, dem 16. Februar, eröffnete die Staatsanwaltschaft Hannover das Verfahren gegen Bundespräsident Wulff wegen eben jener Sylt-Reise und schon einen Tag später, am 17. Februar 2012, trat der Bundespräsident zurück. Die Staatsanwaltschaft Hannover kann, wie man an diesem Beispiel sieht, sehr schnell sein. Im Fall der kriminellen Vorgänge innerhalb der WestLB/Preussag-TUI-Gruppe war sie es jedoch nie. Siehe dazu auch meine Rede aus 2012.

Liebe Aktionäre, ich war Mitglied des Vorstands dieses Unternehmens und habe die ersten Jahre miterlebt, in denen Herr Frenzel das Unternehmen leitete - damals firmierte es als Preussag AG. Herr Pieper war Ende 1993 als Konzern-Chef ausgeschieden. Zur Hauptversammlung 1991 hatte er erklärt, der Zusammenschluss der staatlichen Salzgitter AG mit der Preussag AG zwei Jahre zuvor sei „goldrichtig“ gewesen. Er kündigte an, die Dividende von 16 auf 18 Prozent zu erhöhen, „wenn der Himmel nicht einstürzt“.Beachtliche Reserven bildeten die 33 000 Wohnungen der beiden Wohnungsgesellschaften in Salzgitter. Ihren Buchwert gab Pieper mit 1,7 Mrd. DM an, den Versicherungswert mit 10,2 Mrd. DM. Sie können sich das entsprechende Dokument ansehen, das diesen Wert mit exakt 10.159.842.110,-- DM ausweist. Dies alles war Eigentum der Aktionäre. Die Preussag AG hatte 1989 die staatliche Salzgitter AG für 2,442 Mrd. DM „gekauft“. Den Wert der Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Salzgitter AG hatte die WP-Firma „Treuarbeit“ ermittelt. Merke: Nicht immer ist Nomen gleich Omen. Unterschrieben hat das Gutachten Herr Eichner. Im Vorstand der Treuarbeit saß auch Rolf Windmöller, später Chef von Pricewater-house Deutschland. Der Deal war extrem praktisch. Da die Preussag zum Zeitpunkt des Erwerbs relativ pleite war, kaufte sie die Salzgitter AG ganz einfach mit dem Inhalt von deren Portokasse. Darin lagen - natürlich rein zufällig - jene 2,5 Mrd. DM, also der Kaufpreis. Den kompletten Rest inklusive der bereits genannten Immobilien und aller Industriebeteiligungen, ein Wert von ca. 15 Mrd. DM, gab es gratis dazu. Aus der Treuarbeit wurde später übrigens C&L (Coopers und Ly-brand) und nach der Fusion mit Pricewaterhouse die WP-Firma PwC (PricewaterhouseCoopers). Ohne diese „ehrenwerte WP-Gesellschaft“, die das Unternehmen seit seiner Gründung, am 9. Ok-tober 1923 begleitet, ist die kriminelle Historie der West LB und der Preussag/TUI AG gar nicht denkbar. Um die Ausgangslage einmal in ein Bild zu bringen, muss man sich das in etwa so vor-stellen: Sie, liebe Aktionäre, haben ein Haus, bzw. eher eine Villa, erworben - sagen wir mal für 2,5 Mio. DM. Nach dem Erwerb stellen Sie dann fest, dass der Kaufpreis im Briefkasten deponiert war und sie im Keller sogar noch einen Tresor mit 15 Mio. DM finden - in großen Scheinen. „All inclusive“ - wie man das im Tourismus heute bezeichnet. Bei der staatlichen Salzgitter AG müs-sen Sie all das nur noch mit dem Faktor Tausend multiplizieren. Dann liegen Sie genau richtig. Das war die Ausgangssituation als meinem Ex-Kollegen Dr. Michael Frenzel im Januar 1994 das Steuer von Herrn Dr. h.c. Friedel Neuber, dem Chef der West LB, in die Hand gelegt wurde.

Beim ersten Meeting der Chefs der Konzerngesellschaften unter Frenzels Leitung - ich vertrat dort die Preussag Stahl AG als größte Tochtergesellschaft des Konzerns - erfuhren wir vom neuen Hol-ding-Chef, Vorgänger Pieper habe im letzten Geschäftsjahr „sein Denkmal mit 50 Mio. DM künst-lich erhöht“. Die Abscheu über diesen unglaublichen Frevel war Frenzel ins Gesicht geschrieben. Frevel, liebe Aktionäre, der da ganz unverfroren mit Ihrem Vermögen veranstaltet worden war. In seiner Amtszeit „werde nicht ein Pfennig aus dem Vermögen des Konzerns zur Ergebnispolitur eingesetzt“. 1996 wurde ich Holding-Vorstand. Ich hatte meinen Bereich durch grundlegende Änderungen in der Metallurgie zum spezifisch ertragreichsten Stahlunternehmen in Europa gemacht. Auch sonst sah es im Konzern noch ganz sauber aus. Doch Frenzel hatte sich im Anlagenbau so schwer verzockt, dass die Verluste anfingen, alle Gewinne der anderen Bereiche aufzufressen. Da gab es Projekte, deren Verluste den Auftragswert um den Faktor 8 übertrafen (s. Bird-Damm). Frenzel begann, alles Mögliche zu veräußern, um die katastrophale Ergebnis-Situation zu ver-tuschen. Ende 1997 waren das bereits 2,5 Mrd. DM - Faktor 50 mehr als beim Denkmal-Bau von Vorgänger Pieper. All das begleitet von C&L. Ich forderte daher am 7. Januar 1998 schriftlich eine Sonderprüfung des Jahresabschlusses durch eine zweite, unabhängige WP-Firma. In dieser Zeit stand ich übrigens unter Polizeischutz. Am 4. Februar 1998 bei der bilanzfeststellenden AR-Sitzung wurde mir eröffnet, C&L habe die geforderte Sonderprüfung durchgeführt. Die Firma also, die die gefälschte Bilanz erstellt hatte. Der Fälscher hatte somit die eigene Fälschung selbst erneut testiert. Ich verweigerte daraufhin meine Unterschrift unter den Jahresabschluss und wurde noch am selben Tage vom AR rausgeworfen. Die Verluste wurden später auf die Babcock Borsig AG verschoben. Die ging daraufhin mit 5 Mrd. Euro in Konkurs. Zur HV 1998 wurde den Aktionären ein gefälschter Geschäftsbericht vorgelegt. Darin stand als Bestätigungsvermerk: „Hannover, im Januar 1998 Der Vorstand“. Unter dem Bestätigungsvermerk des WP stand: „Hannover, den 12. Januar 1998 C&L“. Ich war indes im Januar 1998 noch Vorstand, hatte die Sonderprüfung gefordert und habe den Jahresabschluss nie unterschrieben. S. „Wildwest auf der Chefetage“.

Ich blieb Chef des aus der Preussag herausgelösten Stahlunternehmens, das als Salzgitter AG an die Börse ging. Im AR der neuen Salzgitter AG war ein Mitglied, das gleichzeitig AR-Mitglied der Preussag war. IG Metall-Vorstand Schmitthenner hatte dort alle Fälschungs-Aktionen brav begleitet. Beim Betriebsrat in Salzgitter verbreitete er u. a., ich wolle die o. g. Immobilien für 400 Mio. DM nach Salzgitter zurückholen. Nach weiteren Falschmeldungen hing ich am 13. Februar 1999 in Salzgitter schließlich sogar an einem Galgen. Gott sei Dank nur als Puppe. Nach dieser ungeheuerlichen Attacke, direkt neben der KZ-Gedenkstätte Drütte, wo in den letzten Jahren der Nazi-Herrschaft 3 500 Zwangsarbeiter von der SS ermordet worden waren, zog ich mich aus der Salzgitter AG zurück. Viele IG Metaller fühlten sich explizit „missbraucht“ und schämen sich noch heute, dabei gewesen zu sein. Eine offizielle Entschuldigung gab es indes bis dato nicht! Ihr 15-Mrd.-DM-Vermögen, für das ich mich eingesetzt hatte, ist derweil vollständig verbrannt. Inklusive Babcock hat Ex-Kollege Frenzel das Pieper-Denkmal um den Faktor 500 übertroffen.

Am 20. Oktober 2010 hielt ich einen Vortrag bei der DGfK, der Deutschen Gesellschaft für Kriminalistik u. a. über die WestLB/Preussag/TUI-Kriminalität. Die Mitarbeiter des BKA, der LKAs der Bundesländer, des Verfassungsschutzes und privater Sicherheitsfirmen waren erstaunt über die Belege, die ich präsentierte. Einen Teil davon hatte ich als Chef der Salzgitter AG am 19. Oktober 1998 direkt bei der Landesregierung deponiert. Man sagte mir aber, Untätigkeit der Behörden sei in solchen Fällen nicht ungewöhnlich. Wenn Top-Politiker verwickelt seien, würde die Arbeit der Justiz oft massiv behindert. Im Fall der Preussag war dies der NRW-MP und spätere Bundespräsident Johannes Rau. Rau war in so unsägliche Vorgänge verwickelt, dass die Justiz zur Untätigkeit verdammt war. Im Vergleich zu Rau sind die Verfehlungen Wulffs nicht einmal eine Petitesse und der arme Herr Brüderle ist ein Chorknabe. Inzwischen werden sogar schon Straßen und Plätze nach diesem unsäglichen Menschen benannt. Ich hatte Ihnen im letzten Jahr berichtet, dass ich die Betrugsvorgänge innerhalb der WestLB/Preussag-Gruppe am 16. November 2000 auch den Herren Dr. Gundlach und Voss von der Staatsanwaltschaft Hannover zu Protokoll gegeben hatte. Beide Herren hätten dabei auf der Welle ihres eigenen Angstschweißes den Raum schwimmend verlassen können. Die politisch weisungsgebundenen Herren Dr. Gundlach und Voss taten indes nichts. Die Folgen waren, wie oben geschildert, dramatisch. Die 2,5 Mrd. DM, derentwegen ich die Preussag-Bilanz nicht unterschrieb, waren später die Basis des Babcock-Borsig-Konkurses.

Ich möchte Sie daher erneut bitten, die unter Punkt 5 der Tagesordnung aufgeführte Beschluss-fassung über die Bestellung des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2012/13 abzulehnen. Die beiden Vorstände von Treuarbeit, C&L und PwC, die Herren Eichner und Windmöller hatten sich u. a. schriftlich für eine Bestechung seitens der Preussag bedankt. Herr Eichner sogar auf einem C&L-Briefbogen. Dieser Wirtschaftprüfer-Polit-Justiz-Sumpf muss trockengelegt werden!

Ich danke Ihnen, liebe Aktionäre, für Ihre Geduld und für Ihre Aufmerksamkeit.“

Peine, den 13. Februar 2013 gez.: Prof. Dr.-Ing Hans-Joachim Selenz

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