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ThyssenKrupp - Drama an der Ruhr

Der Rücktritt von Gerhard Cromme als Aufsichtsratschef der ThyssenKrupp AG wirft ein grelles Licht auf den Niedergang der deutschen Traditionsfirmen Thyssen und Krupp. Ein Blick zurück:

August Thyssen, Sohn eines Privat-Bankiers aus Eschweiler bei Aachen, beteiligte sich im Jahre 1867 mit 8.000 Talern an einem Walzwerk in Duisburg. Am 1. April 1871 gründete er mit 35.000 Talern, die er sich hatte auszahlen lassen, seine eigene Firma „Thyssen und Co“. Er betrieb fortan ein Bandeisenwalzwerk in Styrum bei Mülheim an der Ruhr, die Keimzelle des Thyssen-Konzerns.

Da hatte „Krupp“, ein anderer Konzern gegründet an den Gestaden der Ruhr, bereits Weltgeltung. Friedrich Krupp hatte am 20. November 1811 in Essen die Fabrication englischen Guss-Stahles aufgenommen. Sohn Alfred wollte die Krupp´sche Macht aller Welt zeigen und begann im Jahre 1871 mit dem Bau eines schlossartigen Prachtbaus oberhalb des Baldenei-Sees - der Villa Hügel.

Im Jahre 1903 legte sich auch August Thyssen, inzwischen ebenfalls schwerreicher Stahlmagnat, eine angemessene Behausung zu. Er erwarb Gut Landsberg, eine Burg aus dem 13. Jahrhundert auf einer Bergkette am Ufer der Ruhr bei Kettwig - 10 Km entfernt von der Villa Hügel. Das fortan Schloss Landsberg genannte mittelalterliche Bauwerk wurde luxuriös ausgebaut. Highlight des Stahl-Schlosses war das Gäste-Bad, eine Jugendstil-Ikone, die bei der Pariser Weltausstellung 1900 mit zahlreichen Goldmedaillen prämiert worden war. Die Stahl-Dynastien der Thyssens und der Krupps - in Teilen gar geadelt - stellten ihren märchenhaften Reichtum in einem Märchen-Rahmen an der Ruhr zur Schau. Beide Unternehmen entwickelten sich indes weiterhin prächtig und spielten - nicht nur als Produzenten tödlicher Waffen - über die Jahrzehnte weltweit bedeutende Rollen.

Mit dem Tod von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach am 30. Juli 1967 begann der Niedergang der Firma Krupp. Alfried Krupp hatte sein gesamtes Vermögen auf die von ihm gegründete Krupp-Stiftung übertragen. Vorsitzender und geschäftsführendes Mitglied des Stiftungskuratoriums war von Anfang an Berthold Beitz, der am meisten überschätzte Manager der Republik. Unter seiner Führung taumelte Krupp fortan von einer Krise in die nächste. Beitz hatte seine stärksten Manager-Momente bei Verhandlungen mit Politikern - am liebsten auf der Krupp-Jacht Germania. Politiker wussten vom Stahl noch weniger als er. 1974 holte er gar den Schah an Bord. Der übernahm 25,04 Prozent an Krupp. 1986 heuerte er den kongenialen Glas-Manager Cromme an, der ihm bei der Krisen-Suche hilfreich zur Seite stand. 1998 versuchte der, den siechen Krupp-Konzern durch die feindliche Übernahme des Ruhrkonkurrenten Thyssen zu retten. Das ging zunächst schief, denn der Thyssen-Vorstand stellte sich quer und die Banken bekamen kalte Füße. Doch Landesvater Rau wollte die Ruhr-Ikone Krupp reanimieren. Koste es was es wolle. Man bearbeitete die Thyssen-Vorstände einzeln, die schließlich einknickten und verständigte sich auf einen der krummsten Deals der deutschen Wirtschaftsgeschichte. 1999 fusionierten der „Topathlet“ (Thyssen) und die „Leiche im fortgeschrittenen Stadium der Verwesung“ (Krupp) zur ThyssenKrupp AG. Krupp-Verweser Beitz wurde bei dieser Gelegenheit mit seiner Stiftung sogar größter Anteilseigner des fusionierten Stahl-Konzerns (Anlage). Damit hatte „Morbus-Krupp“ nun auch die Weltfirma Thyssen ergriffen.

Thyssen-Stahl Vorstand Ekkehard Schulz, „der Eiserne Ekki“, der als erster umgefallen war, durfte zur Belohnung mit Cromme das Ruder bei ThyssenKrupp übernehmen. Bis dahin hatte Thyssen sich unter Chefs wie Sohl, Spethmann, Kriwet und Vogel stets dynamisch weiterentwickelt. Bereits nach zwei Jahren gab man die Doppelspitze auf. Cromme wurde Chef des Aufsichtsrates. In einer Phase der Euphorie infolge des China-Booms sah man sich stark genug, das Unternehmen nun auch weltweit aufzustellen. 2006 begann man mit dem Bau eines kompletten Stahlwerks in Brasilien und ein Jahr später mit einem Walzwerk in den USA. Schulz und Cromme wollten die Mammutprojekte mit eigenen Leuten stemmen. Ein Angebot des Anlagenlieferanten zur Komplettabwicklung mit Garantie wurde nicht einmal beantwortet. Das Schüsselobjekt, die Kokerei, vergab man gar an eine Firma aus China. Die Konzerntochter Uhde, weltweit führend im Bau von Kokereien, ging leer aus. Das Amerika-Abenteuer entwickelte sich in der Folge desaströs. Bis dato bescherte es dem Konzern Verluste in Milliardenhöhe. Die versuchte man anfangs zu verstecken. Den schwarzen Peter schob man sich dann gegenseitig zu. Das ThyssenKrupp-Drama an der Ruhr ist noch lange nicht beendet.
Peine, den 15. März 2013 gez.: Prof. Dr. Hans-Joachim Selenz

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